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Reformkurs in der Türkei

Baha Güngör/(pg)3. August 2002

Die Türkei hat als letzter Mitgliedsstaat des Europarates die Todesstrafe in Friedenszeiten abgeschafft. Damit erfüllt das Land eine wichtige Vorbedingung der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen.

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Ministerpräsident Ecevit und sein Vize Gurel im ParlamentBild: AP

Das türkische Parlament in Ankara hat zum Abschluss einer nächtlichen Marathonsitzung (2./3. August 2002) ein Paket gebilligt, zu dessen 14 Punkten die Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten gehört. Demnach dürfen in der Türkei künftig nur noch im Kriegsfall oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr Todesurteile ausgesprochen werden; dagegen steht selbst auf Terrordelikte künftig nur noch die lebenslange Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit zur Begnadigung oder Haftverkürzung.

Nutznießer Öcalan

Öcalan
Abdullah Öcalan nach seiner Festnahme 1999Bild: AP

Das macht Ismail Köse von den Rechtsnationalisten wütend. Er sieht den Nutznießer der Änderung in dem seit über drei Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer einsitzenden Führer der militanten kurdischen Separatistenorganisation PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), Abdullah Öcalan. "Dieser Verräter hat über 30.000 unserer Landsleute umgebracht - und Sie bringen hier ins Parlament ein, was dieser Mann sich wünscht," so Köse.

Mehr Rechte für die Kurden

Vizepremier und Europaminister Mesut Yilmaz wehrt sich gegen die Vorwürfe der Opposition. Ein Ausverkauf an die Europäische Union werde nicht betrieben. "Der EU beizutreten, das ist kein böser Zauber, aber es ist auch keine weiße Magie, kein Allheilmittel. Der Beitritt ist ein Motor, der dies Land in jeglicher Hinsicht vorwärtsbringt."

Weitere Punkte im Reformpaket sind die offizielle Erlaubnis für Rundfunk- und Fernsehprogramme in anderen Sprachen als Türkisch sowie die Genehmigung für muttersprachlichen Unterricht neben Türkisch in Privatschulen. Von diesen neuen Freiheiten profitieren vor allem die Kurden, denen die Sprach- und Kulturpflege bislang unter Berufung auf die so genannten Lausanner Verträge von 1924 verwehrt worden ist. Nichtislamische Minderheiten wie die Juden sowie die griechischen und armenischen Christen erhalten ebenfalls mehr Rechte.

Jetzt wird erwartet, dass die Reformen auch die Debatte vor der vorgezogenen Neuwahl am 3. November bestimmen werden.