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Margot Käßmann ist zurück

Michael Hollenbach29. April 2012

Die ehemalige Bischöfin wirbt als PR-Frau des Protestantismus für Luther und das Reformationsjubiläum 2017. Damit kehrt sie zwei Jahre nach ihrem Rücktritt offiziell ins Rampenlicht zurück.

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Die Theologin Margot Käßmann wirbt seit Ende April 2012 als Botschafterin für die Lutherdekade "Luther 2017 - 500 Jahre Reformation". Sie soll Luther und dessen Ideen bekannter machen. In den Jahren bis zu dem Großereignis gibt es zahlreiche Veranstaltungen, Seminarreihen und Ausstellungen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den mitteldeutschen Lutherstädten Wittenberg, Eisleben, Erfurt und Eisenach. Bei der Vorbereitung des Reformationsjubiläums wirken Kirche, Staat und Gesellschaft zusammen. EKD Archiv - kostenlose Verwendung
Bild: EKD/Schoelzel

Von einem kirchlichen Comeback will Margot Käßmann nicht sprechen. Im Februar 2010 war die damalige hannoversche Bischöfin und EKD-Ratsvorsitzende nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens von ihren Ämtern zurückgetreten. Ihr früheres Amt als Bischöfin sei etwas ganz anderes als die neue Funktion einer Lutherbotschafterin, sagt die 53-Jährige. "Ich habe mir natürlich sehr überlegt, ob es sinnvoll ist, wieder ein Amt im alten kirchlichen Kontext zu übernehmen. Aber ich habe mich dafür entschieden, weil ich denke, dass ich eine Frau der Kirche bin.“ Vor wenigen Wochen war Käßmann sogar mal als Bundespräsidentin ins Spiel gebracht worden. Immer wieder wurde gemunkelt, die evangelische Theologin würde vielleicht in die Politik wechseln.

Doch nun ist sie eine Botschafterin - eine Reformationsbotschafterin. Das klingt nach Diplomatie, obwohl sie keineswegs immer diplomatisch aufgetreten ist. "Nichts ist gut in Afghanistan", hatte sie mit Blick auf den Bundeswehreinsatz öffentlich der Politik vorgeworfen.  Aber die gebürtige Hessin sieht durchaus ihre Möglichkeiten als "Diplomatin", eigene Akzente zu setzen. Als Botschafterin sei sie einerseits  gebunden an eine "Regierung", sprich: an die evangelische Kirchenleitung. "Andererseits  gibt es auch viel Spielraum, das selbst zu gestalten“, sagt die frühere deutsche Chef-Protestantin selbstbewusst.

Eine internationale Aufgabe

2017 jährt sich zum 500. Mal der Thesenanschlag Martin Luthers an die Schlosskirche zu Wittenberg – ein Ereignis, das als Beginn der Reformation gilt. Margot Käßmann wird nun in den kommenden Jahren für dieses wichtigste Ereignis des Protestantismus werben. Sie soll Kontakte knüpfen, Vorträge und Predigten halten, Unterstützer und Sponsoren gewinnen. Dabei sieht Käßmann ihr Amt nicht nur als nationale Aufgabe, sondern möchte internationale Gespräche suchen – auch weil sie weiß, dass viele protestantische Kirchen auf anderen Kontinenten Luther oft sehr konservativ interpretieren. Sie will in Gesprächen mit Lutheranern aus Übersee deutlich machen, was Reformation heute bedeutet.  "Für mich ist es der weite Blick der Freiheit, den Luther hatte. Entscheidend ist das einzelne Gewissen und nicht etwa die Maßstäbe, die eine höhere Instanz setzt. Evangelium darf nicht mit Moralismus verwechselt werden.“ Und damit spielt Käßmann auf die strikte Ablehnung der Homosexualität in einigen lutherischen Kirchen Afrikas an.

Luthers Thesenanschlag / Gem.v.Pauwels Luther, Martin Reformator. 1483-1546. - 'Martin Luthers Thesenanschlag'. - (Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517). Gemaelde, 1872, von Ferdinand Pauwels (1830-1904). Oel auf Leinwand, 85 x 72 cm. Eisenach, Wartburg. E: Luther and Theses / Gem.v.Pauwels
1517: Luthers Thesenanschlag in WittenbergBild: picture-alliance / akg-images

Ökumene mit dem "Antichristen"

Als Luther-Botschafterin wird sich Käßmann, die immerhin zehn Jahre lang Bischöfin der Hannoverschen Landeskirche war, mit der katholischen Kirche über den ökumenischen Charakter des Reformationsjubiläums unterhalten. Kein leichtes Unterfangen, denn der Wittenberger Quer- und Neudenker sah im Papst einst den personifizierten Antichristen. "Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für ein Reformationsjubiläum 2017: Wie gestalten wir in einer Welt der Vielfalt dieses Jubiläum?“ Die  Reformationsjubiläen seien je nach Zeitgeist sehr unterschiedlich gefeiert worden. So wurde Luther beispielsweise im 19. Jahrhundert zum Nationalhelden der deutschen Kultur stilisiert und im Kulturkampf gegen die „römischen Katholiken“ in Stellung gebracht. "Wir werden fragen müssen: Was bedeutet Reformation in einer Zeit des interreligiösen Dialogs, in einem Zeitalter der Ökumene? Wir können nach 100 Jahren ökumenischer Bewegung nicht einfach ein triumphalistisches Jubiläum feiern."

Papst Benedikt XVI. (r.) wird am Freitag (23.09.11) in Erfurt am Augustinerkloster vor Beginn eines oekumenischen Gottesdienstes vom Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, begruesst. Foto: Matthias Rietschel/dapd
Der Papst würdigt 2011 in Erfurt den ReformatorBild: dapd

Keinen Helden-Status

Das verbiete sich auch wegen Luthers antisemitischer Schriften, so Käßmann. „Wir können nach dem Holocaust kein unkritisches Verhältnis zu Luthers entsetzlichen Äußerungen gegenüber Juden haben.“ Gerade wegen seiner antisemitischen Äußerungen, aber auch seiner Position, Gewalt gegen aufständische Bauern zu befürworten, könne man Luther nicht glorifizieren, betont die Botschafterin. "Luther ist nicht dieser reine Held. Deswegen kann es auch keinen Kult um Luther geben. Er ist für mich ein Mensch, der mit einem Fuß noch tief im Mittelalter steht und mit dem anderen schon ganz weit in die Neuzeit schreitet."

Kulturprägenden Luther zeigen

Für Margot Käßmann ist der 500. Jahrestag des Thesenanschlags bei Weitem kein rein kirchliches Ereignis. Sie will zeigen, dass Luther für eine Kultur steht, die gerade die Deutschen sehr geprägt hat. Überdies sieht sie sich auch als eine Missionarin, die in einer säkularisierten Welt den Menschen wieder die christliche Botschaft näherbringt.

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Luther übersetzte die Bibel ins DeutscheBild: Fotolia/Curtis J. Alexander

Und ganz persönlich hofft Margot Käßmann, dass mit ihrem neuen Amt als Reformationsbotschafterin die Zeit vorbei ist, in der sie ständig auf ihre "Alkohol-Fahrt" und ihren Rücktritt von 2010 angesprochen wird. Es nerve sie schon, dass das Thema immer wieder erwähnt werde, gesteht die Mutter von vier erwachsenen Töchtern ganz offen. Sie wünscht sich, dass in ihrem neuen Amt der Rücktritt endgültig der Vergangenheit angehört.