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Reform und Tradition

Daniel Wortmann16. März 2003

Der chinesische Volkskongress hat einen Generationswechsel an der Staatsspitze vollzogen. Die zukünftige Führung hat umfangreiche Reformpläne, will aber unbedingt an der Vormacht der Kommunistischen Partei festhalten.

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Chinas neue Nummer eins: Hu JintaoBild: AP

Hauptfigur der personellen Neubesetzung ist Hu Jintao. Auf ihrer diesjährigen Plenartagung beriefen die knapp 3000 Delegierten des chinesischen Volkskongresses den 60-Jährigen zum neuen Präsidenten. Vier Monate nach seinem
Aufstieg zum Parteichef wurde Hu Jintao damit auch im höchsten Staatsamt Nachfolger von Jiang Zemin.

In der jetzt angetretenen vierten Führungsgeneration gilt Jintao als der Mann mit dem besten Beziehungsgeflecht. Obwohl er lange Zeit die Ideen des scheidenden Präsidenten Jiang Zemin verteidigte, traut man ihm zu, gerade dank seiner gesicherten Position auch grundlegende Reformen durchzusetzen.

Ehrgeizige Reformpläne

Hu Jintao mit Thumbnail
Hu JintaoBild: AP

Um sich geschart hat Hu Jintao ein Kabinett, das größtenteils den Willen zu Reform und Öffnung zu unterstützen scheint. So ist der zukünftige Regierungschef Wen Jiabao bereits mit ehrgeizigen Reformplänen aufgefallen. Die Anzahl der Ministerien will er von 29 auf 21 reduzieren, zudem das Bankenwesen umkrempeln und die Lebensumstände der verarmten Bauern verbessern. Ausgewiesene Experten für Wirtschaft, Außenpolitik und Landwirtschaft sitzen ebenso auf der Regierungsbank.

Auch über die Wahl der neuen Regierung hinaus bildet der diesjährige Volkskongress (bis zum 19.3.2003) den Ausgangspunkt für tiefgreifende Reformen. So haben die knapp 3000 Abgeordneten eine Kabinettsreform verabschiedet und sogar die staatliche Planungskommission aufgelöst, die bislang für die traditionellen Fünf-Jahres-Pläne verantwortlich war. Als Symbol für den Aufbruch kann auch der Abschied des Parlamentspräsidenten Li Peng gedeutet werden. Er war der letzte amtierende Politiker, der noch direkt mit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlichen Friedens 1989 in Verbindung stand.

Wachstum bringt Probleme

Nationaler Volkskongress eröffnet
Nationaler VolkskongressBild: AP

In den Plänen von Präsident Hu Jintao nehmen die neuen Probleme, die mit dem wirtschaftlichen Wachstum entstanden sind, eine entscheidende Rolle ein. Steigende Arbeitslosenzahlen, ein immer größerer Abstand zwischen arm und reich und stagnierende Einkommen auf dem Land gehören zu den Herausforderungen für die neue Regierungsmannschaft. Erklärtes Ziel Jintaos ist es, das Bruttoinlandsprodukt in 20 Jahren von 800 auf 3000 US-Dollar pro Kopf zu steigern.

Mehr Menschen sollen es schaffen, in die Mittelklasse aufzusteigen, um so den Grundstein für eine stabile Gesellschaft zu bilden. Ökonomen gehen davon aus, dass etwa 220 Millionen Landwirte bis zum Jahr 2020 Arbeit in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich finden könnten. "Wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung" seien die wichtigsten Aufgaben, die alle gemeinsam anpacken müssten, rief Jintao auf dem Volkskongress die Parole aus.

Um diese Ziele zu erreichen, soll auch die Verwaltung von Reformen nicht verschont bleiben. Unternehmern und Spezialisten ohne Parteihintergrund will man es verstärkt ermöglichen, höhere Regierungsämter zu bekleiden. Auch das Rechtssystem soll weiter verbessert werden.

Partei behält ihre Macht

China Beginn des 16. Parteitages der Kommunistischen Partei
Chinesisch: "Partei"Bild: AP

Eines bleibt vor dem Hintergrund aller Reformen jedoch immer klar: An der Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei wird nicht gerüttelt. Dem chinesischen Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater Cao Siuyan geht das nicht weit genug: "Wir müssen Partei und Regierung voneinander trennen und eine Gewaltenteilung einführen", fordert er im Gespräch mit DW-WORLD. Etwa die Hälfte der chinesischen Elite sehe das genauso. "Die Partei wird Reformen wollen, weil sie das einzige Mittel sind, die eigene Herrschaft zu sichern."

Dabei wäre schon die Umsetzung der bislang angedachten Reformen ein großer Erfolg. Noch ist unklar, ob den ambitionierten Plänen auch Taten folgen werden. Viele Beobachter halten den Einfluss der alten Parteikader noch für zu bedeutend. Hu Jintao gibt sich optimistisch: "Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zukunft Chinas besser sein wird."