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Rechenkünstler - gibt es ein Gen für Mathematik?

2. Januar 2009

Wie viel ist 6104179 : 6913? - Solche Aufgaben gab es bei der Kopfrechenweltmeisterschaft. Zu lösen in 12 Sekunden - natürlich im Kopf. Gewinner in diesem Jahr waren ein Mädchen aus Indien und ein Junge aus Deutschland.

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Bild: DW-TV

Wissenschaftler wollen herausfinden, woher solche spezielle Begabung stammt. Einer von ihnen ist Gerd Mittring, ein Informatiker und Psychologe aus Bonn. Er hat den Wettbewerb organisiert und war früher selbst einmal Kopfrechenweltmeister. Seine These: Mathe ist eine Frage der Emotionen. Wer in Mathe gut sein will, muss Spaß dabei haben.

Sie ist die Weltmeisterin im Kopfrechen der jüngsten Altersgruppe: Kinjal Shah aus Indien. Und auf Platz zwei ein Deutscher. Der Schüler Max Weber rechnet vor: "145 mal 145, dann weiß ich: 144 mal 144 ist 20.736. da muss ich einfach die Wurzel aus 20.736 verdoppeln und dann plus 1 addieren und dann das Ergebnis mit dem Quadrat von 144 addieren und schon habe ich 145 mal 145. Das wäre 21.025." Als wäre das alles so einfach. Genies oder nur geniale Tricks? Addieren, Multiplizieren, Wurzelziehen. Braucht es dazu eine besondere Begabung, ein bestimmtes Mathe-Gen oder reicht nur ein guter Lehrer?

Für ihn jedenfalls ist klar: es geht um mehr als nur um nüchterne Zahlen. Gert Mittring ist selbst Kopfrechenweltmeister: "Was in mir selbst vorgeht, das ist weitaus mehr als nur das reine Rechnen, sondern es gehen natürlich auch Gefühle mit einem durch und manchmal angenehm, manchmal weniger angenehm. Wenn ich mich zum Beispiel bei einem Auftritt nicht wohl fühle, dann ist auch meine Rechenleistung nicht so hoch wie wenn ich mich wohl fühle. Das ist also so, dass der Mensch eben doch weitaus mehr, sage ich einmal, als ein Taschenrechner ist."

Auch er lebt auf, wenn er Mathe vorführt: Andreas beeindruckt seine Zuschauer. Zwei fünfstellige Zahlen überkreuz multipliziert. Das Ergebnis sind 4. Für den Rechenkünstler kein Problem, die Zahlen gehen halt durcheinander und formen sich im Kopf eben in die richtige Reihenfolge. Braucht man dazu ein besonderes Gehirn? Eine genetische Veranlagung? Roland Friedrich vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften will es genau wissen. Er schaut Probanden beim Rechnen in den Kopf. Unter dem Hirnscanner werden Mathe-Aufgaben präsentiert, während er das ganze Gehirn durchleuchtet.

Überraschendes Ergebnis: Rechenkünstler und Normalbegabte zeigen dieselben Hirnaktivitäten, bei Mathe-Genies sind sie nur schneller und automatischer, doch die Gehirne sind prinzipiell gleich. Und: es gibt kein Rechenzentrum im Gehirn. Verschiedene Areale leuchten während des Rechnens auf, die auch für andere Aufgaben genutzt werden. Daraus schließt der Forscher: "Also ein Mathematik-Gen gibt es in dem Sinne nicht. Es gibt sehr wahrscheinlich Gen-Kombinationen, die gewisse Sachen beeinflussen, zum Beispiel die Plastizität des Gehirns, wie das Hirn auf Training reagiert. Also das ist sicher an dieser Stelle besser entwickelt. Dies ist genetisch beeinflusst. Aber wie gesagt, es müssen verschiedene Areale davon betroffen sein."

Was muss man also haben, um als Mathegenie gefeiert zu werden? Ein besonderes Gen scheint es nicht zu sein, ein besonderes Gehirn auch nicht. Bei der Weltmeisterschaft konnte man es spüren. Ein Schlüssel liegt wohl in der Kindheit. Es ist der ungetrübte Spaß an der Mathematik.