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Kaiser ohne Gefolge

Torsten Schäfer15. Mai 2008

Immer offener widersetzen sich Politiker aus der Regierungspartei UMP der Politik ihres Präsidenten Nicolas Sarkozy. Schon seit längerem bröckelt dessen Machtbasis, die Gründe dafür sind ganz unterschiedlicher Art.

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Nicolas Sarkozy - dpa
Vertraut vor allem sich selbst: Frankreichs Präsident SarkozyBild: picture-alliance/dpa

Es ist wahrlich nicht die Woche des Nicolas Sarkozy. Frankreichs Präsident sieht sich als Siegertyp, der auf der Überholspur sein Land und nebenbei die EU reformiert. Doch jetzt hat er zwei bittere Niederlagen kassiert. Es war die eigene Partei, die ihrem Präsidenten unverhohlen die Zustimmung versagte. Ein Antrag der Kommunisten, das von der Regierung geplante Genmais-Gesetz zu kippen, wurde am Dienstag (13.5.2008) in der Nationalversammlung überraschend mit einer Stimme Mehrheit angenommen - obwohl die konservative Regierung fast über zwei Drittel der Sitze verfügt. Der zweite Dämpfer folgte am Mittwoch: Der von der UMP beherrschte Außenausschuss lehnte das Projekt einer Verfassungsreform ab. Beide Vorhaben können - mit Hilfe komplizierter Verfahrensregeln - im Parlament dennoch beschlossen werden.

"Ein Mann in großen Schwierigkeiten"

Von vier Gegenstimmen im Außenausschuss kamen drei von Mitgliedern aus Sarkozys UMP-Fraktion, wie Agenturen erfuhren. "Die Parlamentarier glauben nicht mehr an das Funktionieren seiner Reformen, seine Persönlichkeit und seine Methode beunruhigen sie", sagte kürzlich ein UMP-Abgeordneter zu AFP. Sarkozy habe das Parlament zudem missachtet und als reines Vollzugsorgan behandelt, sagt Wolfgang Neumann vom deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg. Das erkläre auch das aktuelle Votum im Parlament, mit dem sich die Serie der Abstimmungsniederlagen fortsetzt: Mitte März musste Sarkozys UMP bei den Kommunalwahlen herbe Verluste hinnehmen.

Sarkozy vor Anhängern - AP
Kurz vor seiner Wahl: Er versprach den Franzosen viel - und lieferte zu wenige ResultateBild: AP

Sarkozy sei "ein Mann in großen Schwierigkeiten", erklärt Philippe Moreau Defarges vom Französischen Institut für internationale Beziehungen (IFRI) in Paris. "Er hat vor allem ein großes Kommunikationsproblem." Seit Monaten gibt es interne Querelen: Minister und Staatssekretäre schießen quer; Kritik am autoritären Führungsstil Sarkozys wurde laut. Auch das Verhältnis mit Premier Fillon gilt als gestört. Unter anderem weil er für Fehler gerade stehen muss, die auf die Kappe des Präsidenten gehen. Überdies sind Sarkozys Umfragewerte im Keller. Zwei von drei Franzosen bewerten seine Amtsführung derzeit als misslungen.

Gebrochene Versprechen

Sarkozy versprach beim Amtsantritt, die Franzosen "nicht zu enttäuschen." Mittlerweile ist die Kaufkraft gesunken ist, und die Wirtschaft wächst langsamer als in vielen anderen EU-Staaten. Sarkozy alleine sei für die Misere nicht verantwortlich, sagt Moreau Defarges. Die Staatsschulden seien ein Erbe Chiracs, das er langsam abtragen müsse – unter strenger Aufsicht der EU, die erneut mit einem Defizit-Verfahren droht.

"Sarkozy zahlt aber durchaus für die eigenen Fehler der letzten Monate," sagt Moreau Defarges. Der Versuch, das Präsidentenamt zu beleben, indem er sich als volksnaher und medial präsenter Staatschef zeigte, sei misslungen. Vor allem das Zuschaustellen seines Privatlebens habe dem Ansehen Sarkozys schwer geschadet.

Überfällige Korrekturen

Sarkozy gesteht im Fernsehen eigene Fehler ein - AP
Ungewohntes Bild: Sarkozy gesteht im Fernsehen eigene Fehler einBild: AP

Doch langsam gewinnt Sarkozy die Einsicht, dass er sich ändern muss. Er versuchte bereits Mitte April im Fernsehen, Vertrauen zurückzugewinnen. "Ich habe Fehler gemacht", räumte er ein. Vor wenigen Tagen traf sich sein Beraterstab mit Vertretern des Parlaments, um die teils wüsten Streitereien um Zuständigkeiten beizulegen. Und die öffentlichen Verbalausfälle haben ebenso aufgehört wie die Auftritte mit Ehefrau Carla Bruni an der Seite oder einer neuen Edeluhr am Arm.

Inhaltlich müsse Sarkozy den versprochenen Reformweg weitergehen, sagt Moreau Defabres. "Er hat keine Wahl". Untätig war er nicht: Mit milliardenschweren Steuersenkungen will er die Konjunktur neu beleben. Er hat die Familienunterstützung gekürzt und die Abschaffung der Frührente bei Beamten durchgedrückt. 55 Reformprojekte brachte der "Omniprésident" auf den Weg – zu viele, sagen seine Kritiker. "Es gibt keine klare Linie", erklärt Neumann. "Er muss sich auf Schlüsselbereiche konzentrieren.

Wird die Palastrevolte zur Revolution?

Die wichtigsten Baustellen seien die Reform der Renten- und Krankenversicherung und der Personalabbau im aufgeblähten öffentlichen Dienst, gegen den am Donnerstag demonstriert wurde. Wenn Sarkozy hier trotz aller Widerstände behutsame Reformpolitik betreibe und den Dialog suche, könne er Boden gut machen, glaubt Neumann. "Er muss Inhalte und Stil ändern, um Erfolg zu haben - und zu verhindern, dass aus der Palastrevolte im eigenen Lager eine echte Revolution wird."