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Ein "roter Knopf" gegen gefährliche Spiele

Das Interview führte Andreas Noll13. März 2009

Nach dem Amoklauf eines Schülers wird in Deutschland erneut eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert. Auch auf EU-Ebene sucht die Politik nach Antworten.

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Der Abgeordnete Schwab steht vor dem Europäischen Parlament (Foto: EP 2007)
Im Interview ist der Europaabgeordnete Andreas SchwabBild: EP 2007

Das Entsetzen über die Tat ist groß, Erklärungen zu finden schwierig. Die Politik versucht, Lehren aus diesem Amoklauf ziehen. In Deutschland wurde nach einem ähnlichen Vorfall vor sieben Jahren in Erfurt das Waffenrecht verschärft. Doch wie sehen die Antworten auf europäischer Ebene aus?

DW-WORLD.DE spricht mit dem EU-Abgeordneten Andreas Schwab von der CDU. Der Europapolitiker arbeitete unter anderem an der Novellierung der europäischen Waffenrichtlinie mit.


DW-WORLD.DE: Herr Schwab, gibt es auf europäischer Ebene eine politische Antwort auf eine solche Tat wie die von Winnenden?

Andreas Schwab: Zunächst einmal müssen wir genau analysieren, was in Winnenden passiert ist, was diesen jugendlichen Täter dazu gebracht hat, nicht nur sich selbst sondern auch weitere 15 Menschenleben auszulöschen. Und ich glaube dass wir besser beraten sind, erst einmal in Ruhe zu prüfen, was passiert ist, bevor wir voreilige Schlüsse ziehen.

Es gibt aber schon Schlüsse, die sich auf das Waffenrecht beziehen - wie sieht das Waffenrecht in Europa eigentlich aus?

Es gibt eine europäische Waffenrichtlinie. Diese Waffenrichtlinie ist mit dem Ziel entstanden, einen stark regulierten Binnenmarkt für Waffen zu schaffen, um zu verhindern, dass in bestimmten Mitgliedsstaaten Waffen sehr einfach zugänglich sind und damit über den Binnenmarkt die nationalen Vorschriften zum Schutz Jugendlicher oder anderer ausgehebelt werden können. Diese Richtlinie wurde vor eineinhalb Jahren überarbeitet, weil die Vereinten Nationen ein so genanntes „Waffenprotokoll“ erlassen haben. Wir haben damals sehr stark darauf geachtet, deutlich höhere Anforderungen an das europäische Waffenrecht zu stellen, als dies auf UN-Ebene vorgesehen ist.

Könnte man dieses Waffenrecht noch weiter verschärfen?

Das ist denkbar, es ist damals ja auch diskutiert worden, als in Finnland ein vergleichbar schlimmer Amoklauf stattgefunden hat. Allerdings habe ich mir auch die Frage gestellt, ob wir damals möglicherweise nicht die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Aber ich muss Ihnen sagen, die Streitpunkte, die damals vorhanden waren, haben alle überhaupt nichts mit den Schwierigkeiten zu tun, mit denen wir es offenbar im Fall von Winnenden zu tun haben. Dort war es offenbar so, dass ein erfahrener Sportschütze Waffen zu Hause fast komplett eingeschlossen hatte, aber gerade eben die nicht, die am Schluss zu diesem Amoklauf benutzt wurde. Da liegt offenbar eine ganz klare Obliegenheitsverletzung vor, was ich den Medien entnommen habe. Und eine solche Obliegenheitsverletzung können sie auch mit dem besten Gesetz nicht verhindern.

Das Europaparlament hat sich am Donnerstag (12.03.2009) mit dem Amoklauf von Winnenden befasst und eine Empfehlung beschlossen: Mit einem so genannten "roten Knopf" könnten Videos mit schädlichen und gewalttätigen Szenen deaktiviert werden. Wie genau soll das funktionieren?

Richtig ist, dass das Europäische Parlament sich am Donnerstag mit Videospielen als Gefahr insbesondere für junge Menschen beschäftigt hat und was wir aus Winnenden hören, deutet ja darauf hin, dass der junge Mann in den letzten Monaten sehr stark mit gefährlichen Videospielen umgegangen ist. Wir glauben, dass wir den Jugendschutz bei den Videospielen noch effektiver gestalten müssen. Es ist zwar nicht bekannt, woher er diese Spiele hatte, aber es gibt eben nach wie vor einige Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union, bei denen der Minderjährigenschutz beim Erwerb von Videospielen noch nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Und deswegen haben wir empfohlen, dass wir hier eine härtere Gangart einschlagen und europaweit Mindeststandards für den Erwerb von gefährlichen Spielen herstellen.

Ist das nicht blinder Aktionismus?

Das ist ein zeitlicher Zufall, dass diese Entscheidung gerade am Donnerstag (12.03.2009) getroffen wurde. Das ist ein Bericht, der von den niederländischen Kollegen schon seit Monaten bearbeitet wird, der hat überhaupt nichts mit dem Vorfall in Winnenden zu tun. Ansonsten hätten Sie sicherlich Recht.

Wie wichtig sind denn europaweit einheitliche Regelungen in diesem Bereich?

Also ich glaube schon, dass wir nicht vergessen dürfen, dass die Grenzen zu unseren Mitgliedsstaaten heute ja völlig offen sind und deshalb ein Mindeststandard an Schutz europaweit einheitlich gelten muss. Aber es gibt eigentlich keinen einzigen Fall, wo ein Vorfall bekannt geworden wäre, dass über die Grenze Waffen oder Videospiele zu einem Vorfall geführt hätten. Deswegen glaube ich, dass wir in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstatten überlegen sollten, wie wir solche Vorfälle verhindern können und wie auch wir im Europa der 27 uns stärker über die Frage unterhalten können, wie wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaften, vor allem natürlich innerhalb der Mitgliedsstaaten aber am Ende auch über die Grenzen der Mitgliedsstaaten hinaus verbessern können. Denn wir stellen ja fest, dass es eine gewisse Haltlosigkeit solcher Täter gibt, die sich im Laufe ihres Schullebens entwickelt hat. Und hier glaube ich brauchen wir eine soziale, eine gesellschaftliche Vorsorge, die uns wieder stärker füreinander aufmerksam werden lässt.