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Raus mit dem Amtsdeutsch

Helga Spannhake23. August 2012

Fachchinesisch, Bandwurmsätze und Abkürzungen - all das soll es in den Texten der Uni Hohenheim nicht mehr geben. Dafür sorgt die "Klartext-Initiative" an der Stuttgarter Universität Hohenheim.

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Geschäftsmann versinkt in Akten (Foto: Nomad_Soul - Fotolia.com)
Bild: Nomad_Soul - Fotolia.com

Simon Richter schaut konzentriert auf seinen Monitor. Er soll den Verwaltungstext, den er vor sich sieht, umformulieren. Gar nicht so einfach, aber dem Studenten der Kommunikationswissenschaft macht es Spaß, aus typischem Beamtendeutsch einen allgemein verständlichen Wortlaut herauszufiltern. Aus der Zeile "Das Aufbewahren der Rechnungen dient als begründete Unterlage für Zahlungen" macht er ein sehr viel lesbareres "Mit den aufbewahrten Rechnungen werden Zahlungen belegt".

Simon Richter ist Mitarbeiter der sogenannten "Klartext-Initiative", die im vergangenen Jahr an der Stuttgarter Universität Hohenheim gegründet wurde. Er arbeitet daran, Rundschreiben, Formulare oder auch Webseiten der Uni verständlicher zu formulieren. Denn gerade Studienanfänger verstehen nicht immer die Formulierungen der Zulassungsbescheide und müssen nachfragen. Das wiederum kostet Arbeitszeit.

Weniger a.a.O. und i.H.v.

Bei der Klartext-Initiative geht es vor allem um verständliche Kommunikation im schriftlichen Bereich der Universität. Die Marketingleiterin und Klartext-Mitbegründerin Johanna Lembens-Schiel von der Universität Hohenheim wünscht sich ein serviceorientiertes Deutsch und möchte, dass die Universität in ihren Schreiben sympathischer wirkt. "Abkürzungen wie a.a.O., i.H.v., u.A.w.g, i.d.F, i.V.m oder i.S.d.G. kommen gerne in amtsdeutschen Schreiben vor", sagt sie. "Aber das kann man ausformulieren und sehr viel freundlicher ausdrücken." Denn so bleiben die Kommunikationspartner auf Augenhöhe und formulieren verständlicher für ihre jeweilige Zielgruppe.

Marketingleiterin Johanna Lembens-Schiel von der Uni Hohenheim (Foto: DW/Helga Spannhake)
Johanna Lembens-SchielBild: DW

Fünf Klartext-Basisregeln sowie eine Klartext-Checkliste helfen beim Prüfen der Texte. Da werden Tipps fürs Schreiben gegeben, wie zum Beispiel "Verwenden Sie möglichst kurze und bekannte Begriffe". Aus gutem Grund. Eigentlich gebe es fast immer Probleme, wenn Experten mit Laien sprechen würden, beobachtet der Kommunikationswissenschaftler und Klartext-Beauftragte der Universität Hohenheim, Jan Kercher. Er spricht daher vom "Fluch des Wissens". Denn Experten empfinden Begriffe aus ihrem Arbeitsumfeld als alltäglich, die andere aber komplett verwirren können, weil sie ihnen gänzlich unbekannt sind.

Gemeinsam gegen die Substantivierung

Die Klartext-Initiative ist eine Mitmachaktion. Das heißt, alle sind eingeladen mitzuwirken. Hinweise auf schwer verständliche Universitätsschreiben nimmt die Klartext-Sammelstelle entgegen, und inzwischen prüfen 100 extra dafür geschulte Botschafter aus den Reihen der Universitätsmitarbeiter die Schriftstücke der Universität Hohenheim auf ihre Verständlichkeit.

Das eigens entworfene "Klartext-Siegel" der Uni Hohenheim (Foto: Uni Hohenheim)
Prüfung bestanden: Das Klartext-Siegel gibt's für gute Texte

"Es wird sehr viel substantiviert", kritisiert Simon Richter. So gehe es in den Texten, die er prüfen muss, immer wieder um die "Speicherung von Daten" anstatt einfach das Verb zu benutzen und etwa zu schreiben "wie man Daten speichert." Verschachtelte Bandwurmsätze sorgten für weitere Verständnishürden, beobachtet der Student.

Amtsdeutsch adé

Wenn Simon Richter einen Text auf seine Verständlichkeit hin untersucht, vergehen durchaus auch einmal mehrere Stunden. Meist ist das Ergebnis nicht nur sprachlich klarer, sondern auch um einiges kürzer. Hilfe erhält er dabei von der Software "TextLab", die an der Universität gemeinsam mit einer Ulmer Firma entwickelt wurde. "TextLab" markiert unerbittlich jedes Fachchinesisch und macht zum Teil auch Verbesserungsvorschläge.

Zwei Studenten am PC bei der Prüfung eines Textes (Foto: DW/Helga Spannhake)
Sprachtüftelei am PC: Jan Kercher und Simon Richter (v.l.)Bild: DW

Das Pilot-Projekt, so meint Simon Richter, kommt bei den Studenten gut an. Daher soll es auf jeden Fall weitergeführt werden. Die Klartext-Mitarbeiter hoffen, dass es auch außerhalb der Universitätsmauern auf Interesse stößt. Denn unverständliches Amtsdeutsch gibt es wohl in jeder deutschen Behörde.