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Rein in den Betrieb

Barbara Markus18. Februar 2013

Mit Slogans wie "Meister statt Master" bietet das deutsche Handwerk Studienabbrechern eine berufliche Karriere - nicht ganz uneigennützig. Doch für die gescheiterten Studenten ist das Programm eine neue Chance.

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Schweißer in blauer Arbeitskleidung und Arbeitsbrille arbeitet am Schweißgerät (Foto: Fotolia/Gina Sanders)
Bild: Fotolia/Gina Sanders

Heute passt Eva Bonsack Schwerhörigen neue Hörgeräte an. Dabei hat die 29-Jährige bis September noch Biologie an der Universität Würzburg studiert. Aber nach dreieinhalb Jahren war sie bei entscheidenden Prüfungen im Fach Chemie durchgefallen. Entnervt hat sie das Studium hingeschmissen. Doch jetzt kann sie wieder lächeln. Sie macht eine Ausbildung zur Hörgeräteakustikerin. "Die Handwerkskammer hat mir angeboten, mit mir einen  Arbeitgeber zu suchen und zahlt parallel Teile der Meisterprüfung."

Schneller und kostengünstiger zum Meistertitel

Die teure Kursgebühr muss Eva Bonsack also nicht alleine aufbringen, und sie erhält noch dazu wie alle anderen Auszubildenden in Deutschland die reguläre Vergütung von mehreren hundert Euro. Doch damit nicht genug: Während andere die Ausbildung nach drei Jahren mit der Gesellenprüfung abschließen, kann Eva Bonsack gleich die Meisterprüfung für Hörgeräteakustiker machen. Damit kommt sie, wenn alles gut geht, auf der Karriereleiter schneller nach oben.

Die Auszubildende Eva Bonsack vor einem Plakat der Firma Frankonia (Foto: Frankonia/hören/sehen)
Eva Bonsack hat ihr Biologiestudium an der Universität Würzburg abgebrochen.Bild: Frankonia/hören/sehen Kitzingen

Erstmals im September letzten Jahres hat die Handwerkskammer im bayerischen Unterfranken zusammen mit der Universität Würzburg dieses besondere Angebot für Studienabbrecher aus der Taufe gehoben. Eva Bonsack ist eine von neun Studienabbrechern, die bislang davon profitieren. Andere Handwerkskammern in Deutschland haben ähnliche Pilotprojekte gestartet. Handwerkspräsident Otto Kentzler hofft, dass das Beispiel Schule macht. Denn der demografische Wandel macht auch den Handwerksbetrieben zu schaffen. "Wir wollen frühzeitig vorbeugen und nicht warten, bis sich der eine oder andere bei uns meldet, sondern wollen aktiv auf die jungen Leute zugehen", kommentiert Kentzler die Initiative.

Nachwuchsmangel im Handwerk

14.000 Lehrstellen hat das deutsche Handwerk in diesem Ausbildungsjahr nicht besetzen können. Jeder Schulabgänger wird deshalb nun schon umworben. Für Jugendliche, die in der Berufsschule nicht mithalten können, gibt es sogar Nachhilfe, damit sie die Lehrzeit durchhalten. Das Angebot an Studienabbrecher hat aber eine ganz andere Zielrichtung, wie Rolf Lauer von der Handwerkskammer in Würzburg klarstellt. Es soll nicht den Fachkräftemangel lindern, sondern den Führungskräftemangel. 

Otto Kentztler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (Foto: zdh)
Handwerkspräsident Otto Kentzler hofft, dass seine Initiative in Deutschland Schule macht.Bild: zdh

Einen Betrieb leiten oder sogar selber gründen und sein eigener Chef werden:  Unter den Studienabbrechern sieht das Handwerk dafür also eine geeignetes Fachkräftequelle. In manchen Fächern bricht jeder dritte Student in Deutschland vorzeitig das Studium ab und bringt es nicht einmal zum Bachelor. Dazu zählen insbesondere die technischen und naturwissenschaftlichen Studiengänge. Die Abbrecher gelten dann als "ungelernte Kräfte". Denn das Abitur bescheinigt nur die Hochschulreife, ersetzt aber keine Berufsausbildung.

Karrierechancen nicht nur für Studienabbrecher aus MINT-Fächern

Wie erste Erfahrungen zeigen, sind die praktischen Handwerksberufe nicht nur für Studienabbrecher aus so genannten MINT-Fächern attraktiv, also aus den Fächern wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Auch Geisteswissenschaftler oder Lehramtsstudenten bekunden Interesse, nachdem viele nach dem Studium offenbar Probleme haben, eine Anstellung zu finden.

Lukas Theilacker in blauem Sweatshirt an der Fräsmaschine (Foto: Irina Hanft)
Ex-Student Lukas Theilacker wollte lieber gleich arbeiten und Geld verdienen.Bild: Irina Hanft

Das war auch für  Lukas Theilacker der Grund, nach nur einem Semester an der Universität Würzburg das Handtuch zu schmeißen. "Ich wollte lieber gleich arbeiten, bevor ich neun Semester lang studiere und dann am Ende in der Arbeitslosigkeit lande." Dabei hatte er nach dem Abitur noch davon geträumt, später an einem Gymnasium Geographie und Englisch zu unterrichten. Heute steht der 20-Jährige an der Fräsmaschine in einer Schreinerei. Aber auch er kann sich nach einer verkürzten Lehrzeit bereits in drei Jahren Meister nennen und dann Führungsaufgaben übernehmen, vom Betriebsleiter bis zur Gründung einer eigenen Schreinerei.