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Rauchzeichen

Eckhard Tollkühn5. Juni 2003

Was kommt nach Hoola Hoop, Hollywoodschaukeln und Telefonwerbung aus den USA? Das Rauchverbot in Kneipen! DW-TV-Korrespondent Eckhard Tollkühn über die Erfahrungen der New Yorker mit der zwei Monate alten Regelung.

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Tausende von New Yorker Kneipenwirten, Restaurantbesitzern, Köchen, Kellnern und Küchenhilfen hätten Michael Bloomberg nie zu ihrem Bürgermeister gewählt, wenn sie gewusst hätten, dass er ihre Lebensgrundlage zerstören würde. Das jedenfalls werfen sie ihrem Mayor vor, denn nachdem ein absolutes Rauchverbot für die Gastronomie gilt, verzeichnen vor allem die Bars und Kneipen 40 Prozent weniger zahlende Zecher.

Dabei hatte es Bloomberg so gut gemeint. Er wollte schließlich nur die Angestellten der Restaurationsbetriebe vor den Gefahren des passiven Rauchens schützen. Auf diese Art der Fürsorge pfeifen allerdings die meisten der Angstellten. Verständlich, denn durch die Einbrüche haben viele ihren Job verloren. Und neue sind schwer zu bekommen.

250.000 Arbeitsstellen hat New York seit dem 11. September 2001 verloren. "Cigarettes and Whiskey und Cheerio … im Leben geht es mal so und mal so", heißt es in einem alten Song. Im Moment haben die trinkfreudigen New Yorker jedenfalls einen Tiefpunkt. Denn wenn dem Kneipenmilieu die Fluppe entzogen wird, dann ist für sie mit der Welt was nicht in Ordnung.

Die, die noch in die Kneipe gehen, müssen zum Rauchen vor die Türe. Das tun sie oft laut klagend, was wiederum die Anwohner stört, genauso wie die morgendliche Kippensammlung vor ihren Haustüren. Als es ihr der Lärm eines nachts zu viel wurde, leerte eine Dame, die zwei Stockwerke über der Kneipe wohnt, kurzerhand einen Eimer Wasser über die Köpfe der Zecher.

Doch das sind nicht die einzigen Probleme der Wirtsleute. Diebstahl nimmt zu. Denn wenn die Gäste zum Rauchen nach draußen gehen, lassen sie oft ihre Handtaschen auf dem Stuhl. Und Gelegenheit macht Diebe. Auch die Zechprellerei hat zugenommen. Jemand trinkt ein Bier und geht angeblich zum Rauchen raus. In Wirklichkeit kommt er nie wieder.

Aber am schlimmsten ist für die Barbesitzer wenn die Leute gar nicht mehr kommen, sondern im Freundeskreis daheim rauchen und trinken oder, was immer häufiger passiert, man nimmt die U-Bahn ins sonst so verpönte Hoboken auf der anderen Seite des Hudson. In New Jersey ist die Welt nämlich noch in Ordnung.

Wer kann eigentlich mit dieser Lösung zufrieden sein? Diese Frage stellen sich mittlerweile selbst New Yorker Nichtraucher. Bleibt eigentlich nur der Bürgermeister, der gleich einem religösen Eiferer, der Millionenstadt gesundheitliches Heil verheißt und 35.000 Nikotinpflaster an die Geplagten verteilen lässt.

Aber er hat einen neuen Verbündeten. Richard Carmona, der Gesundheitsbeauftragte der US-Regierung ließ durchblicken, er trete für ein absolutes Tabakverbot ein. Erste Testsignale einer republikanischen Administration? Der Präsident ist seit seiner Jugend lasterfrei, aber noch wichtiger: Raucher wählen mehrheitlich demokratisch. Was also hat man zu verlieren?