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Rathaus oder Rente

Ralf Bosen21. Mai 2003

An ihm kommt niemand vorbei: Bürgermeister Henning Scherf ist einer der beliebtesten Politiker in der Geschichte Bremens. Er gilt als Kumpeltyp, kann aber auch anders.

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Bürgernah: Henning ScherfBild: AP

Bei einer Direktwahl würden 68 Prozent für Henning Scherf stimmen. Nur ihm hätte es die SPD zu verdanken, wenn sie in Bremen nicht genauso abgestraft wird wie bei den letzten Wahlen im Rest der Bundesrepublik, so die Analyse aller Wahlforscher.

Bürgernah auf dem Fahrrad

Scherf gilt als bürgernaher Landesvater. Das liegt vor allem an seinem Image als Fahrrad fahrender Regierungschef, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche der Bürger hat. In der Tat: Nicht bei vielen Politikern ist die Fähigkeit zur Kommunikation so ausgeprägt wie bei Scherf.

Aber er ist nicht nur der Kumpeltyp, sondern auch ein kühl kalkulierender Pragmatiker mit klaren politischen Vorstellungen. Das merkt man vor allem dann, wenn sich Scherf bei hitzigen Debatten in der Bremischen Bürgerschaft - dem Landesparlament - leidenschaftlich und manchmal auch lautstark einsetzt. Und da riskiert er auch den Streit mit sozialdemokratischen Parteifreunden. Beispielsweise wenn es um die wirtschaftsfreundliche Ausrichtung seiner Landespolitik geht.

Parteikarriere

Scherf zog 1971 in die Bürgerschaft ein, ein halbes Jahr später wurde er SPD-Landeschef; 1978 Regierungs-Mitglied. Zunächst war der gebürtige Bremer Finanz-, später Sozial- und Bildungs- sowie zeitweise gleichzeitig Senator für Bildung und Justiz. Nach dem Ende der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP 1995 avancierte er zum Bürgermeister, was in anderen Bundesländern dem Ministerpräsidenten entspricht.

In der seit acht Jahren regierenden großen Koalition ist Scherf eine Art Übervater. Angesichts der finanziellen und strukturellen Probleme des Landes bezeichnet er das rot-schwarze Bündnis als "einen Segen für Bremen". "Diese schwierigen Zeiten können nur von einer Großen Koalition gemeistert werden", betont er des öfteren. Trotz mancher Widerstände in seiner Partei will er deshalb die Koalition fortsetzen.

Kaffeepflücken in Nicaragua

Ein solcher Schmusekurs mit der CDU wäre für ihn früher undenkbar gewesen. Bis in die 90er Jahre waren die "Schwarzen" für Scherf ein "Rotes Tuch". Umgekehrt diente er als Feindbild der Konservativen. "Rot, roter, Henning", hieß es über den promovierten Juristen, der einst aus Solidarität mit der kommunistischen Revolution zum Kaffeepflücken nach Nicaragua reiste. Mittlerweile aber unterhält Scherf gute Kontakte zu dem einst feindlichen Lager. Die "Umarmungsfähigkeiten" des Bremer Regenten veranlassten Bundeskanzler Schröder, ihn in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zu schicken.

Kein Junior-Partner

Bundespolitische Ambitionen hat der 64-jährige Jurist nicht mehr. Für ihn heißt es: Rathaus oder Rente. Sollte die SPD bei der Bürgerschaftswahl Stimmen verlieren und nur noch Junior-Partner in einer Grossen Koalition sein, will der Zwei-Meter-Mann in den politischen Ruhestand gehen. Das gilt auch für den Fall, dass die Bremer SPD mit den Bündnis-Grünen gemeinsame Sache machen.

Dann hätte der Vater von drei Kindern genügend Zeit für seine Hobbies: Radfahren im Blockland, mit den Enkeln spielen oder mit Ehefrau Luise ins Theater gehen.