Vergessene Orchesterwerke von Joachim Raff
13. Dezember 2010Mit seinen Sinfonien hat Ludwig van Beethoven Maßstäbe gesetzt. Und kaum einer der späteren Komponisten kam an dieser Messlatte vorbei. Johannes Brahms beispielsweise scheute sich lange vor der Gattung - und trug nur vier Werke dazu bei. Joachim Raff hatte dagegen wenig Berührungsängste: er komponierte immerhin 11 Sinfonien.
Meisterlicher Autodidakt
Joseph Joachim Raff, 1822 in der Nähe von Zürich geboren, stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Da eine kostspielige Musikaubildung nicht in Frage kam, erlernte er autodidaktisch sein Handwerk - und das so gut, dass der gefeierte Klaviervirtuose und Komponist Franz Liszt tief beeindruckt ihn 1849 als Assistenten nach Weimar holte. Hier half Raff dem Meister bei der Orchestrierung seiner Werke. Allerdings geriet er damit zwischen die Fronten der eher traditionell orientierten Komponisten wie Brahms und den "neudeutschen" Verfechtern Liszt und Wagner. Raff lehnte das eine so wenig wie das andere ab und suchte nach einen Weg, beides miteinander zu kombinieren.
Melodik als oberstes Gebot
Raffs elf Sinfonien entstanden in einem Zeitraum von knapp 20 Jahren zwischen 1860 und 1879 und sind teilweise programmatisch angelegt. So verarbeitet die fünfte Sinfonie mit dem Titel "Lenore" die gleichnamige Ballade Gottfried August Bürgers, während in der dritten Sinfonie "Im Walde" unterschiedliche Natureindrücke im Mittelpunkt stehen. Dass Raff seinen älteren Kollegen Felix Mendelssohn Bartholdy sehr geschätzt hat, ist in der Musik deutlich zu hören. Auch die musikalische Welt Richard Wagners findet sich in seinen verschiedenen Orchesterwerken wieder. Darüber hinaus verwendet Raff Marschrhythmen, mit denen später Gustav Mahler Berühmtheit erlangen sollte. Das Wichtigste war für ihn jedoch immer die Melodie - und davon findet man in seinen Sinfonien reichlich.
Neuentdeckung des "Kleinmeisters"
Um 1870 gehörte Raff zu den bedeutendsten Komponisten seiner Zeit. Damals schrieb ein Kritiker nach der Uraufführung seiner 9. Sinfonie: "Hätte Raff nicht schon durch seine übrigen Sinfonien seinen Ruf und Ruhm begründet, so würde dieses Werk jedenfalls sehr viel dazu beitragen." Nur 20 Jahre später war der Ruhm vorbei und Kritiker taten Raff als Eklektiker und Kleinmeister ab. Dass dem nicht so ist, beweisen die Bamberger Symphoniker unter der Leitung von Hans Stadlmair: Sie präsentieren Raff als Meister opulenter Melodik, brillanter Orchestrierung und anspruchsvoller Satztechnik. Mit der Einspielung seiner Sinfonien, Orchestersuiten und Ouvertüren haben die Musiker ein wichtiges Stück deutscher Musikgeschichte ins Bewusstsein zurück geholt.
Autor: Klaus Gehrke
Redaktion: Gudrun Stegen