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"Radikalisierungsprävention am Anfang"

Matthias von Hein2. Dezember 2015

Wie kann man junge Männer und Frauen vor dem Abgleiten in den Terror schützen? In Deutschland soll eine nationale Präventionsstrategie helfen. Kriminologin Wiebke Steffen spricht über Chancen und Hindernisse des Plans.

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Terrorcamp in Syrien (AP Photo, File)
Bild: picture-allianceAP Photo

DW: Die Prävention von Radikalisierungen soll in der Bekämpfung des Terrorismus künftig eine weitaus größere Rolle spielen als bisher. Auch bei der Jahrestagung des Bundeskriminalamtes war dieser Bereich ein wichtiges Thema. Wie sehen Sie Deutschland da aufgestellt?

Wiebke Steffen: Wir stehen noch ziemlich am Anfang. Ganz große Lücken haben wir in der Wissensbasis. Das heißt: Wir müssen zunächst einiges über die Hintergründe und die Ursachen einer Radikalisierung erfahren, bevor wir entscheiden können, wie wir diese verhindern wollen. Wir haben zwar plausible Hinweise, was alles Grund für eine Radikalisierung sein kann. An dem gesicherten Wissen müssen wir aber noch kräftig arbeiten.

Müssen wir jetzt also erst einmal jahrelang forschen, bis wir eine halbwegs brauchbare Präventionsstrategie auf die Beine stellen?

Zum jahrelangen Forschen ist nicht die Zeit. Aber wir wissen schon einiges, bei dem wir ansetzen können. Ganz wichtig ist, dass wir das vorhandene Wissen zusammentragen und bündeln. Unser Problem ist im Moment, dass wir im Bereich der Prävention sehr viele Akteure und sehr viele Träger haben. Es fehlt aber an Zusammenarbeit, an Austausch und an vernetztem Vorgehen.

Ist das der Grund, dass es den nationalen Präventionsplan, der jetzt überall gefordert wird, noch nicht gibt?

Mit nationalen Präventionsplänen tun wir uns in unserem föderalen System schwer, weil die Kriminalprävention in erster Linie in der Zuständigkeit der Länder liegt. Und dann ist es der Bereich der Kommunen und der Gemeinden. Aber das entschuldigt ja nichts. Das Problem, das wir jetzt haben, ist so drängend, dass wir erkennen: Wir müssen zu einem nationalen Vorgehen kommen. Das hat ja auch der Präsident des Bundeskriminalamtes bereits wiederholt eingefordert.

Portrait Wiebke Steffen (Foto: Wiebke Steffen)
Wiebke Steffen ist seit über 30 Jahren in der Präventionsarbeit aktivBild: DW/M. von Hein

Ohne eine nationale Präventionsstrategie, die den Rahmen für die einzelnen Akteure setzt, würden sich zu viele Fragen ergeben: Was macht der Bund? Was machen die Länder? Was machen die Kommunen? Was machen die einzelnen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen? Wenn wir uns nicht zusammensetzen und ein nationales Konzept entwickeln und umsetzen, dann werden wir uns noch jahrelang sehr schwer tun mit unserem Vorgehen gegen diese Radikalisierung.

Ich habe jetzt aber den Eindruck, dass sich etwas bewegt. Es gibt sehr viele Akteure, die sehr interessiert sind und die auch zum Teil schon sehr gut aufgestellt sind. Wenn es uns gelingt, diese Akteure zusammen zu bringen und zu vernetzen, sodass wir ressortübergreifend vorgehen und sozusagen unser ganzes Wissen zusammenpacken. Dann können wir erfolgreich sein.


Die Kriminologin Wiebke Steffen gilt als "Vorkämpferin für die Kriminalprävention". Steffen ist Mitglied im Programmbeirat des Deutschen Präventionstags.