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Rückzug der Propheten

Michael Brückner9. August 2002

Nach der Vorfreude auf die Mobilfunktechnik UMTS folgen die Mühen ihrer Umsetzung. Anbieter in Schweden und Deutschland haben den Start ihrer Angebote bereits verschoben. Nun entbrennt ein Streit über die Gründe dafür.

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Nur Optimisten können da noch lachen: Der UMTS-Start kommt später als erwartetBild: AP

An UMTS hatten bis jetzt nur die europäischen Finanzminister Freude. Die Frequenzen für die neue Übertragungstechnik für den Mobilfunk wurden von den einzelnen Staaten versteigert. Dem deutschen Fiskus flossen dabei 51 Milliarden Euro zu. Eine einzelne Lizenz kostete mehr als 8 Milliarden Euro. Doch mit der Krise der Telekommunikationsbranche und der Kapitalmärkte scheint sich der Zeitpunkt, an dem diese Technik für den Verbraucher zur Verfügung stehen wird, zu verzögern.

Mit einem UMTS-Mobiltelefon soll man in Zukunft Daten 6 Mal schneller als mit ISDN übertragen können. Videokonferenzen oder auch Videoüberwachung per Handy werden möglich sein. E-Mails abrufen und im Internet surfen soll schneller als am heimischen PC funktionieren. Jeder Lizenzinhaber verpflichtete sich bei der Versteigerung in Deutschland dazu, sein Netz so schnell auzubauen, das bis Ende 2003 mindestens 25 Prozent der Bevölkerung UMTS-Dienste nutzen können. Auf der CeBit in Hannover stellten die Endgerätehersteller, wie Motorola und Nokia bereits im März 2002 die Features ihrer UTMS-tauglichen tragbaren Telefone vor. Testnetze werden von allen Beteiligten schon seit längerem betrieben.

Schwarzer Peter

Vodafone, der nach eigenen Angaben größte Mobilfunkbetreiber der Welt – in Deutschland durch D2 vertreten – wollte den Markt anführen. Im September sollte der kommerzielle Betrieb starten. In einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" kündigte der Chef der deutschen Vodafone, Jürgen von Kuczkowski, dieser Tage jedoch die Verschiebung des UMTS-Starts an. Als Hauptgrund führte er das Fehlen von Endgeräten an, die den qualitativen Ansprüchen der Netzbetreiber genügten.

Ist das nur ein Finte Vodafones, um von Problemen bei der Finanzierung des vollmundigen Versprechens abzulenken? Diese Vermutung liegt nahe. Denn Telefon-Hersteller weisen den "Schwarzen Peter", den ihnen Kuczkowski zuschieben wollte, brüskiert zurück. "Wir wissen nicht wie Herr von Kuczkowski zu dieser Aussage kommt", sagte die Motorola-Sprecherin Doris Schang im Gespräch mit DW-WORLD. "Motorola findet sich ehrlich gesagt vor den Kopf gestossen." Das Unternehmen werde seine Geräte wie angekündigt in der zweiten Jahreshälfte liefern können.

Finanzprobleme

Wesentlich einleuchtender klingt vor diesem Hintergrund die Begründung der France Telecom-Tochter Orange, warum sie den Ausbau ihres UMTS-Mobilfunknetzes in Schweden bis 2006 herauszögern möchte. Finanzproblem vor allem der Muttergesellschaft zwängen Orange dazu, die enorm hohen Investitionskosten zeitlich zu strecken, teilte das Unternehmen diese Woche mit. Nach den Milliarden, die auf einen Schlag für die Lizenzen an die Regierungen bezahlt werden mussten, ist nun erst einmal Schuldenabbau angesagt.

"An den Kapitalmärkten ist Geld teurer geworden, da müssen sich die Unternehmen genau überlegen, ob sie die Investitionen lieber verzögern", erklärt Manfred Breul vom Interessenverband BITKOM im Interview mit DW-WORLD die Taktik der Netz-Anbieter. Man sollte seiner Ansicht nach auch nicht vergessen, dass 2000 unrealistische Erwartungen an die Technologie geweckt worden seien. Sie seien schon damals unrealistisch gewesen. "Heute sehen wir einen Stimmungsumschwung, der zum gegenteiligen Extrem neigt", sagt Breul. Die Erfahrung zeige, dass jede Technologie anfänglich langsam wachse. Die Entwicklung auf dem Markt für die heute noch übliche Mobilfunktechnologie sei anfänglich genauso langsam verlaufen. Der Mobilfunk-Experte hält das für "normal".