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Rücktritt - und zwar schnell

Karl Zawadzky7. April 2004

Bundesbankpräsident Ernst Welteke hat sich von einer Privatbank einladen lassen - vier Tage samt Familie im Luxus-Hotel Adlon in Berlin. Damit hat er sich unmöglich gemacht, schreibt Karl Zawadzky.

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Nachdem am Dienstag die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme gegen Bundesbankpräsident Ernst Welteke eingeleitet hat, bleibt dem Währungshüter nur noch eine Konsequenz: der Rücktritt - und zwar schnell. Welteke hat sich als schlimmer Raffzahn entpuppt und zu allem Übel erst nach massiver Kritik Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt. Er ist als Präsident der Deutschen Bundesbank sowie als Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank nicht mehr tragbar. Nur mit einem Amtverzicht kann er einem Rausschmiss zuvorkommen. Und dies wegen 7661,20 Euro. Um die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro ging es in der Sylvesternacht des Jahres 2001 im Berliner Luxushotel Adlon, direkt am Brandenburger Tor.

Die Dresdner Bank hatte zur Jubelfeier geladen, Welteke war Ehrengast. Eigentlich war das für ihn ein dienstlicher Anlass. In einem solchen Fall erstattet die Bundesbank die Reisekosten. Doch Welteke reiste mit Familie an und blieb vier Tage - samt Sohn und dessen Freundin. Die Rechnung zahlte die Dresdner Bank. Genau deswegen ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft gegen den mit 350.000 Euro Jahresgehalt am höchsten bezahlten Staatsdiener Deutschlands, der erst meinte, sein damaliges Verhalten sei üblich und nicht zu beanstanden. Als jedoch die Kritik immer massiver wurde, erstattete Welteke der Dresdner Bank die Kosten und unterschied zwischen dienstlichem und privatem Aufwand. Die Hälfte der Kosten ließ er von der Bundesbank überweisen, die andere Hälfte vom eigenen Konto. Und es fehlte - zu spät - auch nicht der Ausdruck des tiefsten Bedauerns.

Die Affäre ist auf diese Weise nicht mehr zu stoppen. Nicht nur der Staatsanwalt ermittelt, sondern auch der Vorstand der Bundesbank befasst sich mit der Frage, ob er seinem Chef den Stuhl vor die Tür stellen soll. Einen hinreichenden Grund für die Abberufung gebe es (noch?) nicht, so die Bundesbank. Welteke lässt derzeit sein Amt ruhen. Der Bundesregierung hält mit ihrer Kritik an Welteke nicht hinter dem Berg, ist jedoch an der Entwicklung nicht aktiv beteiligt, was an der besonderen Unabhängigkeit der Bundesbank liegt. Nur der Vorstand der Bundesbank kann ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten, wenn der sich etwas zu Schulden kommen lässt, was im Beamtenverhältnis zu einer Entlassung führen würde. Beamte dürfen zum Beispiel keine Geschenke in Bezug auf ihr Amt annehmen. Bei der Europäischen Zentralbank, deren Rat der Bundesbankpräsident angehört, ist das im Übrigen durch einen Verhaltenskodex geregelt, den jedes Ratsmitglied, also auch Welteke, unterschrieben hat.

Der Fall ist eindeutig. Nur mit einem Rücktritt kann Welteke einer Ablösung zuvorkommen. Um Schaden von seinem Amt abzuwenden, täte er gut daran, diesen Schritt zu tun - je eher, desto besser. Wieder einmal ist mit Erstaunen und Empörung zu beobachten, wie ein hoher Repräsentant des Staates sich um sein Ansehen und um sein Amt bringt. Dabei geht es im Verhältnis zum Einkommen des Bundesbankpräsidenten um einen läppischen Betrag. Natürlich hätte Welteke den privaten Teil der Kosten für die Sause zur Euro-Einführung problemlos aus eigener Tasche zahlen können. Aber, so die Einstellung, wenn ein anderer zahlt, umso besser. Die Abwesenheit von Unrechtsbewusstsein ist empörend. Und skandalös ist, dass den einfachen Leuten aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes der Gürtel enger geschnallt wird und einer, der in einem öffentlichen Amt mehr verdient als der Bundespräsident und der Bundeskanzler, für sich und seine Familie mitnimmt, was er kriegen kann.