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Rückkehr der Atomkraft?

Frank Grotelüschen22. April 2006

Nach Tschernobyl schien vielen Deutschen die Kernenergie als zu unsicher. Deshalb beschloss die Bundesregierung im Jahr 2000 den Ausstieg aus der Atomkraft. Doch jetzt wird wieder über die Kernkraft diskutiert.

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Auch moderne Reaktoren, wie die EPR, sind umstrittenBild: dpa

Zurzeit sind in der Welt mehr als 400 Kernreaktoren am Netz. Sie produzieren 16 Prozent der gesamten Elektrizität. In den OECD-Staaten liegt der Anteil bei 24 Prozent, in Europa sogar bei über 33 Prozent des erzeugten Stroms. Die meisten Reaktoren - 103 - gibt es in den USA.

"Die Kernkraft ist noch nicht am Ende," sagt Luis Echavarri, Direktor der Kernenergie-Agentur der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es könnte sogar sein, dass sie vor einer Renaissance steht, meint er: "In vielen Ländern galt die Kernenergie als nicht mehr zukunftsträchtig. Doch das hat sich geändert. Heute ist die Kernkraft wieder interessant."

Dafür gebe es zwei Gründe. Erstens müsse die künftige Stromversorgung gesichert werden - und zwar zu einem vernünftigen Preis. In den nächsten 25 Jahren werde der Energieverbrauch um 60 Prozent zunehmen. Dafür würden sämtliche Ressourcen gebraucht. Zweitens sei in den letzten Jahren klar geworden, dass etwas gegen die Klimaerwärmung unternommen werden muss. Mit dem Kyoto-Protokoll haben sich die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, weniger Treibhausgas Kohlendioxid auszustoßen. "Und einer der Vorteile der Kernkraft ist, dass sie kein CO2 produziert", gibt Echavarri zu bedenken.

Neuer Reaktortyp - Pro und Kontra

Die USA haben die Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke jüngst verlängert. China will in den nächsten 15 Jahren 20 neue Meiler errichten. In Europa haben sich Finnland und Frankreich dafür entschieden, einen neuen Reaktortyp zu bauen, den Europäischen Druckwasserreaktor EPR. Das sei der sicherste Meiler aller Zeiten, meinen Befürworter wie Thomas Schulenberg vom Forschungszentrum Karlsruhe: "Das Ziel bei diesem Reaktor war, dass selbst im schlimmsten Fall, wenn alles kaputt gehen sollte, die Bevölkerung rings herum nichts davon abbekommen darf. Das ist mit dem EPR zum ersten Mal realisiert worden."

Die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Unfall liegt bei 1:10 Millionen, sagen die Hersteller. Damit sei der EPR zehn Mal sicherer als die besten Meiler von heute. Andere Experten wie Wolfgang Liebert von der Technischen Universität Darmstadt sind skeptisch: "Die Mängel, die ein Druckwasserreaktor hat bleiben alle bestehen: Ein Versagen könnte zu einer massiven Radioaktivitätsfreisetzung führen. Und das kann der EPR prinzipiell nicht ausschließen."

Rohstoff und Abfall

Ein weiteres Problem: Nicht nur bei den fossilen Energieträgern, auch bei der Kernkraft stellt sich die Frage nach dem Rohstoff. Der schnelle Brüter ist ein Reaktortyp, der sich seinen Brennstoff selber brütet. Mit ihm würden die Uranvorräte Jahrtausende reichen statt Jahrzehnte. Das Problem: Die Brütertechnologie ist viel zu riskant, meinen die Kritiker. Wenn etwas schief geht, könne der Brüter hochgehen wie eine Bombe, sagen sie. Bleibt noch die Frage nach dem Atommüll. Er strahlt für Hunderttausende von Jahren. Die Frage, wie und wo man ihn lagern soll, ist in Deutschland höchst umstritten.

Eines jedenfalls ist klar: In Deutschland wird wieder über die Kernkraft diskutiert. Die einen halten sie nach wie vor für zu riskant und gefährlich. Die anderen jedoch möchten sich vor einer Klimakatastrophe schützen und setzen daher lieber auf Kernkraft.