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Rückblick

22. Mai 2009

Das Europa-Parlament galt lange als machtlose Ansammlung von Politikern. Doch seine Macht ist gewachsen. Die Beteiligung an den Wahlen aber sinkt seit 1979. Was ist der Grund dafür?

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1979: Auf riesigen Wahlplakaten wirbt der ehemalige belgische Ministerpräsident Tindemans für Stimmen bei der ersten Europawahl(Foto: DPA)
Belgien, 1979: Werbung für die erste EuropawahlBild: picture-alliance/ dpa

Die erste Europawahl liegt 30 Jahre zurück. Die Wahlbeteiligung betrug damals europaweit 63 Prozent. Seitdem ist das Parlament eines der Hauptorgane der Brüsseler Staatengemeinschaft. Neben dem Europäischen Rat, der sich aus verschiedenen Ministern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt, und der Europäischen Kommission, die vom Rat eingesetzt wird, ist das Parlament das einzige direkt gewählte Gremium und sichert somit den Einfluss der Bürger auf die europäische Politik.

Vor 30 Jahren hatte das Parlament vor allem beratende Funktion. Der Rat war zwar dazu gezwungen, es in wichtigen Fragen anzuhören, konnte sich jedoch jederzeit über seine Meinung hinwegsetzen. Teile des Budgets der Gemeinschaft mussten allerdings bereits damals vom Parlament genehmigt werden.

Seitdem haben sich die Kompetenzen des Parlaments mit jedem neuen EU-Vertrag erweitert. Gleichzeitig ging die Beteiligung an den Wahlen stetig zurück und lag bei der letzten Wahl 2004 nur noch bei 45,6 Prozent. Den Grund für diesen Rückgang sehen Experten in den nach wie vor schwer zu durchschauenden Entscheidungsstrukturen der Brüsseler Bürokratie. Wer nicht weiß, was das Europäische Parlament ist und was es bewirken kann, der hat auch kein Interesse, es zu wählen.

Handlungsfelder des Parlaments

Blick in das EU-Parlament in Brüssel (Foto: dpa)
Blick in den Plenarsaal in BrüsselBild: dpa

Das Parlament muss heute die Vorschläge des Europäischen Rates zur Besetzung der Kommission absegnen. Nach Vorbild des US-amerikanischen Kongresses hört es dazu die Kommissare an. Darüber hinaus muss die Kommission dem Parlament auch während ihrer gesamten Amtszeit Rechenschaft ablegen und kann durch ein Misstrauensvotum jederzeit abgesetzt werden.

Durch das Mitentscheidungsverfahren, das seit dem Vertrag von Maastricht 1992 gilt, ist das Parlament dem Rat in vielen Gesetzgebungsverfahren gleichgestellt. Beide Kammern haben das Recht, Gesetzesvorschläge der EU-Kommission abzulehnen. Dieses Verfahren ist bei mehr als 75 Prozent aller EU-Gesetze maßgebend. Ausgenommen davon sind jedoch so wichtige Felder wie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Bereiche Justiz und Inneres.

Der dritte Kompetenzbereich des Parlamentes liegt nach wie vor im Bereich des Budgets. Jeweils im Dezember muss das Parlament den Haushaltsplan der Union für das folgende Jahr absegnen. Aber auch hier gibt es immer noch bedeutende Ausnahmen: Alle so genannten obligatorischen Ausgaben, das heißt alle Gelder, die die Union zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen aufbringen muss, bedürfen nicht der Zustimmung des Parlamentes. Ein wichtiger Teil dieser obligatorischen Ausgaben sind die Budgets für den Agrarbereich.

Bild von Hu Jia, der auf einem Sofa sitzt (Foto: dpa)
2008 erhielt der chinesische Bürgerrechtler Hu Jia den "Sacharow-Preis" (Archivfoto)Bild: picture-alliance/ dpa

Ein Mitbestimmungsrecht hat das Parlament außerdem bei der Erweiterung der Europäischen Union. Es muss allen Beitrittsentscheidungen von Kommission und Rat zustimmen. Auch in Fragen des Binnenmarktes hat das Parlament die Macht, Entscheidungen zu blockieren. Der Reformvertrag von Lissabon sieht eine weitere Stärkung des Parlamentes gegenüber Rat und Kommission vor.

Seit 1988 vergibt das Europäische Parlament alljährlich den "Sacharow-Preis für geistige Freiheit" für besondere Verdienste um die Stärkung der Menschenrechte. Darüber hinaus bot das Europäische Parlament immer wieder Aktivisten ein Forum, ihre Anliegen vorzubringen. So waren unter anderem Bob Geldof, der Organisator der Live-Aid-Konzerte, und der Dalai Lama zu Gast.

Wichtige Entscheidungen

schwarz-weißes Foto: Eine Frau sitzt an einem Tisch mit Mikrofon (Foto: AP)
Simone Veil war von 1979 bis 1982 Präsidentin des Europäischen ParlamentsBild: AP

Im Dezember 1979 setzte das Parlament ein erstes Zeichen seiner Macht: Die Präsidentin Simone Veil verweigerte die Unterschrift unter den Finanzplan für das Haushaltsjahr 1980 und zwang die Kommission damit zur Nachbesserung. Auch in den Folgejahren blockierte das Parlament wiederholt den Haushalt.

Von seinem Veto-Recht bei der Ernennung der Kommission machte das Parlament im Jahr 2004 zum ersten Mal Gebrauch und lehnte den konservativen Italiener Rocco Buttiglione ab, der als Kommissar für Justiz und Inneres vorgeschlagen war.

Autor: Torsten Spies

Redaktion: Nicole Scherschun / Kay-Alexander Scholz