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Röttgen will den Atomausstieg

6. Februar 2010

Bundesumweltminister Röttgen (CDU) hat für einen baldigen Atomausstieg plädiert und indirekt die Pläne seiner Partei kritisiert. Denn eigentlich plant die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Verlängerung der Laufzeiten.

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Bundesumweltminister Röttgen (Foto: dpa)
Bundesumweltminister Röttgen will den AtomausstiegBild: picture-alliance/ dpa

Noch ist nicht klar, wie lange die deutschen Atomkraftwerke am Netz bleiben sollen. Fest steht aber: Nach bisherigem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung sollen die Atommeiler auf jeden Fall länger laufen als ursprünglich geplant.

Biblis (Foto: ap)
Gute Aussichten für Biblis, Krümmel und Co: Bleiben die AKW am Netz?Bild: picture-alliance/ dpa

Nur einer will das Spiel nicht mehr mitspielen, jedenfalls nicht offiziell: Bundesumweltminister Norbert Röttgen forderte jetzt, die CDU solle sich möglichst bald von der Atomkraft verabschieden. Seine Partei müssen sich "gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will", sagte Röttgen der Süddeutschen Zeitung am Samstag (06.02.2010). Schrittweise sollten die deutschen Atomreaktoren durch erneuerbare Energien abgelöst werden, sagte er. Genauere Pläne wolle die Bundesregierung bis zum Herbst vorlegen.

Damit stellte sich Röttgen auch gegen seinen Kollegen, Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Der hatte sich kürzlich für einen "Ausstieg vom Ausstieg" ausgesprochen. "Wir wollen Klarheit haben bis zur Sommerpause", hatte er vor einigen Wochen zum Thema erklärt.

Umstrittene Brückentechnologie

Langfristig gibt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Atomenergie keine Chance: Atomkraft bleibe eine Brückentechnologie, bis genug Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden könne. "Sie ist nicht meine favorisierte Energiequelle", hatte Merkel während des Wahlkampfs zur Atomenergie gesagt. Neue Atomkraftwerke sollen nicht gebaut werden, erklärte Merkel in der Vergangenheit bereits mehrmals: "Solche Gedanken habe ich nicht, kenne ich nicht, will ich nicht, nein."

Keine Alternativen

Aber noch fehlt Deutschland die Alternative zur Atomkraft: Der Anteil an erneuerbaren Energien sei aktuell noch viel zu gering, um den Energiebedarf der Deutschen zu decken, argumentieren Politiker aller Parteien. CDU und FDP wollen, dass Ökoenergie bis 2020 einen Anteil von 20 Prozent an der Stromerzeugung hat - das entspricht den EU-Vorgaben.

RWE-Logo (Foto: ap)
Die Energiekonzerne RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW sind gegen einen AtomausstiegBild: picture-alliance/ dpa

Für die Energiekonzerne war der Wahlsieg von Schwarz-Gelb dennoch ein Freudenfest: Die neue Bundesregierung hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängern zu wollen. Für die Energiekonzerne bedeuten das Milliardengewinne, da die älteren Anlagen bereits abgeschrieben sind. Erneuerbare Energien sind im Gegensatz dazu für die Konzerne äußerst teuer.

Die Energiefirmen hatten daher im vergangenen Jahr getrickst: Einige Atommeiler hätten nach den Vereinbarungen mit Rot-Grün bereits vor der Bundestagswahl vom Netz gehen sollen. Spontan starteten die Konzerne intensive Reparatur- und Wartungsarbeiten, nahmen die betroffenen AKWs für einige Monate vom Netz - um damit die Gesamt-Laufzeit nach hinten zu verlängern. Und in der Zwischenzeit hatte Deutschland gewählt - und der sogenannte Atomkonsens (die vor Jahren unterzeichneten Beschlüsse und Gesetze zum Atomausstieg) hatte keine Bedeutung mehr.

Sondergewinne für erneuerbare Energien?

Brüderle (Foto: ap)
Wirtschaftsminister Brüderle will schnell KlarheitBild: AP

Bleibt die Frage, was die Energiekonzerne mit den Milliardengewinnen machen, die sie durch eine Verlängerung der Laufzeiten bekommen: Verbraucherschützer fordern, das Geld soll dem Endverbraucher zu Gute kommen, beispielsweise durch sinkende Strompreise.

Eine andere Möglichkeit wäre, die Gewinne verpflichtend in die Erforschung von erneuerbaren Energien zu stecken. Das will beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Brüderle: Er will mindestens die Hälfte der Sondergewinne abschöpfen. Bundesumweltminister Röttgen widersprach Brüderle jetzt: "Der Staat muss jeden Anschein vermeiden, er schöpfe Sondergewinne ab und mache dafür Zugeständnisse bei der Sicherheit." Dies sei auch verfassungsrechtlich schwierig.

Sand in den Augen der Wähler?

Skelette vor dem Kanzleramt (Foto: ap)
Vor dem Kanzleramt kommt es immer wieder zu Protesten von Atom-GegnernBild: AP

Nach außen hin schweigt sich die Bundesregierung aus: Bis zur Landtagswahl im Bundesland Nordrhein-Westfalen im Mai sollen ungeliebte Themen wie Atomlaufzeiten und Endlagerfrage offiziell nicht diskutiert werden. "Grüne" Vorstöße wie der von Bundesumweltminister Röttgen passen den Oppositionsparteien überhaupt nicht: Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisierte, Röttgen wolle "den Menschen Sand in die Augen streuen, während Schwarz-Gelb im Hinterzimmer den Ausstieg aus dem Atomausstieg festzurrt." Auch die Sozialdemokraten fordern dringend, am Atomausstieg festzuhalten und manche Atomkraftwerke sogar noch schneller abzuschalten, als ursprünglich geplant.

Chance für Arbeitsplätze

Sigmar Gabriel (Foto: ap)
Setzt auf erneuerbare Energien: SPD-Chef GabrielBild: AP

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte kürzlich, dem Klima helfe nur der Umstieg auf regenerative Energien. Für den sauberen Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Erdwärme müsse aber Platz im Stromnetz geschaffen werden. Je mehr Atomkraftwerke abgeschaltet würden, desto mehr alternative Kraftwerke könnten entstehen und ihren Strom in die Netze einspeisen. Und in der Auseinandersetzung um Kernenergie gehe es nicht nur um Klimapolitik und Energiepolitik, so Gabriel, sondern auch um Arbeitsplätze. Denn bei den regenerativen Energien könnten Hunderttausende neuer Arbeitsplätze entstehen - eine Verlängerung der Laufzeiten gefährde Arbeitsplätze.

Autorin: Anna Kuhn-Osius (ap, dpa, afp, rtr)

Redaktion: Manfred Böhm