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Rätseln über den Kurs der EZB

Detlev Karg1. April 2004

Die EZB hat am Donnerstag (1.4.) entschieden, die Leitzinsen bei 2 Prozent zu belassen. Volkswirte hatten vorab heftig diskutiert, welche Zinspolitik derzeit wohl die beste für Europa wäre.

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Fallen die Zinsen? Steigen sie? Oder bleibt alles, wie es ist?Bild: AP

Der Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), Hans-Werner Sinn, hat sich jüngst für eine Zinssenkung der Zentralbank (EZB) ausgesprochen. Grund war der zum zweiten Mal in Folge gesunkene Ifo-Geschäftsklimaindex.

Zweimal schlechte Gefühle bei Deutschlands Unternehmern nach achtmal positiven Aussichten zuvor – und schon liegen die Nerven blank. Kurz nach Veröffentlichung des Indexes hat sich auch Bundesfinanzminister Hans Eichel deutlich zurückhaltender über die Aussichten einer wirtschaftlichen Erholung geäußert als bis dato. Wobei allerdings volkswirtschaftliche Fakten für einen Aufschwung sprechen. "Fast alle wichtigen Indikatoren zeigen, dass 2004 ein Aufschwung-Jahr werden kann", sagte Eichel vor dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZdH) in Berlin. Die Betonung lag auf "fast". Bisher war die Sache für Eichel klarer. Denn die neueste Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hatte signalisiert, dass die Deutschen zunehmend Zweifel am Aufschwung haben.

Umsätze steigen, Vertrauen sinkt

Alles eine Stimmungsfrage also? Ja, sagt Christian Reicherter, Geldmarktanalyst der Frankfurter DZ Bank, im Gespräch mit DW-WORLD: "Das Konsumentenvertrauen ist noch nicht wieder da, und auch der Terror in Euroland hat die Stimmung gedrückt." Den negativen Ifo-Index will er allerdings nicht überbewerten. Denn es gibt handfeste Zahlen, die Grund für Optimismus bieten. Der Branchenverband der Maschinenbauer VDMA meldete beispielsweise, dass trotz der Euro-Stärke die Nachfrage nach deutschen Maschinen im Februar deutlich gestiegen sei. Ein wichtiger Indikator, denn deutsche Maschinen gehen zum Löwenanteil in den Export, vor allem in Europa, zunehmend auch nach China. Die Bestellungen aus dem Ausland legten im Vorjahresvergleich um satte zwölf Prozent zu, wie der VDMA berichtete. Lediglich im Inland sanken sie um fünf Prozent.

Panik ist nicht angebracht

Dazu bemerkt der Verband, es finde lediglich eine Normalisierung statt, da "das Niveau in den vergangenen Monaten durch einige Großaufträge stark nach oben gehievt worden war", man wolle das also nicht überbewerten. Zumal der Dreimonatsvergleich von Dezember 2003 bis Februar 2004 ein Plus bei den Inlandsaufträgen ein Plus von 7 Prozent und bei den Bestellungen aus dem Ausland von 19 Prozent verzeichnete. Auch die Elektroindustrie meldete im März 2004 volle Auftragsbücher.

Werkzeugmaschine aus Zerbst
Bild: dpa zb

Es geht also wieder bergauf, nur die Menschen merken es noch nicht - darum ist die Stimmung schlecht. Wohlfeil ist darum der Ruf nach Zinssenkungen der EZB, er geht aber ins Leere. Zinssenkungen sind ohnehin kein Allheilmittel. Zwar steigen Aktienkurse reflexhaft, weil Anleger von Zinsanlagen in Unternehmensanteile umschichten, aber "eine Zinssenkung kann gleichzeitig als Eingeständnis der EZB gewertet werden, dass es mit dem Aufschwung nichts wird", sagt Geldmarktexperte Reicherter. Auch der Konjunkturexperte Thomas Straubhaar hält eine Zinssenkung derzeit nicht für geeignet, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das Geld sei bereits billig, sagte der Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsarchivs HWWA in einem Interview mit DW-TV.

Katze beißt sich in den Schwanz

Während also die Industrie auf die Beine kommt, liegt es nun an den Verbrauchern. Klar, dass diese noch nicht so schnell von den anziehenden Firmendaten profitierten, denn am Beginn eines Aufschwungs werden meistens noch keine Leute eingestellt, im Gegenteil: Meist werden Leute entlassen. Finanzminister Eichel bezeichnete denn auch den privaten Konsum als Achillesferse der deutschen Wirtschaft: "Das ist ein besonderes deutsches Problem" - und damit ein europäisches. Denn kein starker Aufschwung klappt in Euroland ohne Deutschland.

"Eine Politk der ruhigen Hand, die die Reformen weiter vorantreibt, ist jetzt wichtig", sagt Reicherter. Diese aber vermissen die Menschen wegen des andauernden Streits in der deutschen Politik. Bleiben die Verbraucher missmutig – auch wegen der anhaltenden Sozialdebatte – dann könnten so manche Unternehmen leiden. Dabei sind die Deutschen nicht allein. Auch die EU-Kommission sieht als größte Gefahr für einen dauerhaften Aufschwung die nach wie vor verhaltene Kauflaune der Verbraucher in der Alten Welt. Die Konjunktur in der Eurozone soll nach Einschätzung der Kommission aber im zweiten Halbjahr des Jahres anziehen, hieß es im jüngsten Vierteljahresbericht der Behörde zur Wirtschaftslage.