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Kleinstadt pumpt Bürger an

9. März 2010

Finanznot macht erfinderisch. Können sich Kommunen über Wasser halten, indem sie ihre eigenen Bürger anpumpen? Die Kleinstadt Quickborn bei Hamburg probiert es. Das Vorhaben könnte zur Blaupause werden.

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Symbolbild Schulden der Kommunen (Foto: DPA)
Bild: BilderBox

Mies sind die Schlagzeilen rund um die Finanzlage der Kommunen. Vor allem zahlreiche westdeutsche Städte und Gemeinden sind de facto zahlungsunfähig und der Finanzaufsicht der übergeordneten Ebenen unterstellt, also der Kreise, Länder oder Regierungsbezirke. Da lässt die norddeutsche Kleinstadt Quickborn aufhorchen: Die Kommune besorgt sich einen neuen Kredit bei den eigenen Bürgern, auf ein oder fünf Jahre festgelegt zu 1,5 beziehungsweise 2,6 Prozent Zins.

Die Stadt, ländlich-beschaulich, aber der Metropole Hamburg doch ganz nahe, hat einen guten Standort im Speckgürtel der Hansestadt; seine Bewohner sind recht wohlhabend. Dennoch hat die 20.000-Einwohner-Ortschaft Schulden aufgehäuft. Bürgermeister Thomas Klöppl hofft, unter seinen Gläubigern bald die eigenen Mitbürger zu sehen: "Ich hoffe, dass viele das Angebot wahrnehmen", so Klöppl. Schließlich wisse man, wo das Geld landet: "Nicht in Atomkraft, nicht in der Rüstungsindustrie, nicht in fragwürdiger Landwirtschaft irgendwo in Argentinien, sondern vor Ort in Quickborn."

Finanzaufsicht war dagegen

Quickborns mutiger Bürgermeister Thomas Köppl (Foto: DPA)
Quickborns mutiger Bürgermeister Thomas KlöpplBild: picture-alliance/ dpa

Dabei hat Klöppl guten Grund, optimistisch zu sein. Denn bereits im Sommer 2009 startete die Stadt eine ähnliche Aktion, die auf einer Bürgerversammlung angeregt worden war. Statt wie erwartet einige hunderttausend Euro, brachten die Quickborner in nur drei Tagen vier Millionen ins Rathaus - eine Riesenüberraschung. Allerdings haute wenig später die Finanzmarktaufsicht Bafin den Norddeutschen auf die Finger. Bei der Aktion "Stadt pumpt seine Bürger an" habe es sich nämlich um ein genehmigungspflichtiges Wertpapiergeschäft gehandelt.

Zur Neuauflage hat die Stadt deshalb Profis ins Boot genommen. Die kleine Wertpapierhandelsbank BIW in Willich bei Düsseldorf fungiert als zertifzierter Zwischenhändler. Dort rannten die Norddeutschen offene Türen ein: "Wir hatten schon länger überlegt, in dem Bereich etwas zu machen, weil wir Kommunalfinanzierungen sehr spannend finden", sagt BIW-Vorstandsmitglied Michael Heinks. Schließlich seien die Leute bereit, über Internet-Plattformen von Privat-zu-privat-Konsumentenkredite mitzufinanzieren. "Warum sollten Bürger nicht auf ähnliche Weise bereit sein, ihrer Kommune Geld zu leihen, wenn sie Finanzbedarf hat?"

Inzwischen hat die Bank die Webseite "Heimatinvest.de" gestartet, und hofft, dass auch andere Städte und Gemeinden anbeißen und ihre Bürger anpumpen. Mit der Stadt Willich selbst seien die Verhandlungen bereits weit gediehen; dort dürfte mit dem Neubau eines Kindergartens um die Spargroschen geworben werden. Die Bank selbst verdient an Gebühren für die Kontoführung und einer volumenabhängigen Zulage, die die Stadt bezahlt. Unterm Strich aber kommt die Kommune keine schlechteren Konditionen, als wenn sie einen ganz normalen Kassekredit bei einer Bank aufnähme, betonen die Beteiligten. Zumal viele Bürger bereit sind, einen eher dürren Zins zu akzeptieren - wenn sie nämlich sehen, dass mit ihrem Geld Schulen saniert oder Kitas gebaut werden. Zwar fließt der Bürgerkredit in den ganz normalen Haushalt, aber Quickborn verband konkrete Vorhaben mit dem Projekt - wohl auch, um die Einlagen aus Sicht der Bürger attraktiver zu machen.

Joker im Bankenpoker

Bahnhofsstraße in Quickborn (Foto: DPA)
Modell Quickborn: BahnhofsstraßeBild: picture-alliance/ dpa

Kann das Konzept also tatsächlich die Finanzprobleme der Kommunen lindern? Massive Gewerbesteuerausfälle wie derzeit können die paar Bürgergroschen natürlich nicht kompensieren; auch das Quickborner Modell mit seinen zunächst erhofften zwei Millionen Euro ist winzig, gemessen daran, dass der deutsche Markt für Kommunalfinanzen milliardenschwer ist. Zudem kann das Konzept nur da aufgehen, wo auch genügend wohlhabende Sparer leben; in Quickborn beträgt der Mindesteinsatz 5000 Euro; festgelegt auf ein oder fünf Jahre.

Für die Kämmerer ist "Heimatinvest.de" vor allem eines - eine zusätzliche Finanz-Alternative. Und die zu erschließen sei wichtig, heißt es in Quickborn. Noch böten die Banken zwar günstige Kredite an, aber allenthalben wird vermutet, dass sich die Zinsforderungen auch für Kommunalkredite bald erhöhen. Wer dann von sich sagen kann, er habe auch noch alternative Finanzquellen, stehe in einer besseren Verhandlungsposition.

Autor: Jan Pallokat

Redaktion: Kay-Alexander Scholz