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Politik

Wahlwerbung mit Atomwaffen und Armutsquote

1. März 2018

Eigentlich braucht der russische Präsident keinen Wahlkampf zu führen, seine Wiederwahl ist sicher. Wladimir Putin nutzt dennoch die Chance, sich als ebenso machtbewusster wie sozialer Staatschef in Szene zu setzen.

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Moskau Putin Jahresansprache Lage der Nation
Bild: pictur-alliance/dpa/Sputnik/S. Guneev

Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei einer Rede an die Nation eine Serie neuer, angeblich nicht abfangbarer Nuklearwaffen vorgestellt. Er nannte die schwere Interkontinentalrakete "Sarmat", die Hyperschallrakete "Kinschal" (Dolch), einen atombetriebenen Marschflugkörper und einen neuartigen Torpedo. Das sei eine Reaktion auf die US-Raketenabwehr, sagte Putin bei dem Auftritt in Moskau (Artikelbild) gut zwei Wochen vor der russischen Präsidentenwahl: "Es geht um neue strategische Raketensysteme Russlands, die wir entwickelt haben als Reaktion auf den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Vertrag über Raketenabwehr und die De-facto-Stationierung solcher Systeme auf dem Gebiet der USA und außerhalb der US-Grenzen."

"Die Antwort würde sofort erfolgen" 

Russland verfüge nun über Raketen, die kein anderes Land besitze, so Putin weiter. Keine dieser neuen Waffen könne mit bislang verfügbaren Mitteln abgefangen werden, einige seien bereits in Dienst. Der Besitz von Hyperschallwaffen bringe deutliche Vorteile im bewaffneten Kampf. Für heutige Raketenabwehrsysteme könnten sie bald unverwundbar sein, weil sie einfach schneller seien, sagte der Kremlherrscher. Er warnte zugleich, dass ein Atomangriff gegen einen russischen Verbündeten wie ein Angriff auf Russland selbst behandelt werden würde: "Die Antwort würde sofort erfolgen."

Die USA hatten im Februar eine neue Atomwaffendoktrin vorgestellt und dabei ausdrücklich auf die Entwicklungen in Russland hingewiesen. Die Regierung in Moskau drohte daraufhin Konsequenzen an. Russlands Finanzminister Anton Siluanow sagte der Nachrichtenagentur Tass zufolge allerdings, eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben sei nicht geplant. Und Industrieminister Denis Manturow verwies darauf, die von Putin vorgestellten Waffensysteme seien bereits im Militärprogramm für die Zeit bis 2027 enthalten, das im vergangenen Jahr verabschiedet worden war.

Unterstützung für 20 Millionen Arme   

Im sozialpolitischen Teil seiner Rede kündigte der Kremlchef einen verstärkten Kampf gegen die Armut in der Bevölkerung an. Er wolle die "inakzeptable" Armutsquote während der kommenden sechs Jahre "mindestens halbieren". Zugleich verwies Putin darauf, dass zum Beginn seiner ersten Amtszeit als Präsident vor 18 Jahren 42 Millionen Russen unterhalb der Armutsgrenze gelebt hätten. Heute treffe dies noch auf 20 Millionen Menschen zu. Auch für Familien und Kinderbetreuung, für Wohnraumbau, für Stadt- und Regionalentwicklung und Straßenbau solle mehr ausgegeben werden. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts wolle Russland unter die fünf größten Volkswirtschaften aufrücken, so Putin. Dafür müsse das Pro-Kopf-Einkommen um die Hälfte steigen. Dies soll auch durch technologische Innovationen gelingen. "Technologischer Rückstand ist die größte Gefahr und unser Hauptfeind", sagte Putin.

Stärkung von demokratischen Institutionen und Zivilgesellschaft

Am 18. März will sich Putin das Mandat für eine vierte Amtszeit als Präsident holen. "Um voranzukommen, müssen wir den Raum der Freiheit in allen Bereichen ausweiten", sagte er. Die demokratischen Institutionen, die Zivilgesellschaft und unter anderem die Gerichte müssten gestärkt werden. Dies steht allerdings im Gegensatz zu vielen Schritten der vergangenen Jahre, die Freiheiten und demokratische Grundrechte in Russland eingeschränkt haben.

Experten alarmiert durch Putins Rhetorik

Putins nukleare Muskelspiele kamen bei Moskaus Politprominenz gut an. Putin habe gezeigt, dass Russland noch immer stark sei, sagte der Außenpolitiker Alexej Puschkow. Doch Experten sind alarmiert. Die deutsche Politologin Susanne Spahn sagte der Deutschen Welle, Putins Hauptfeind seien die Vereinigten Staaten. "Putin verwendete eine sehr drohende Rhetorik gegenüber dem Westen, nach dem Motto: Früher wolltet Ihr uns nicht zuhören, dann hört uns wenigstens jetzt zu." Nach ihrer Einschätzung 
liegt ein neues Wettrüsten vor. "Aber am Ende hat Putin gesagt, dass er auf diese Weise Verhandlungen erreichen wolle, aber auch, dass Russland als gleichberechtigter Partner und Weltmacht anerkannt wird. Ich denke, dies ist eine Methode, den Westen, die Vereinigten Staaten und Europa unter Druck zu setzen, damit sie die Russische Föderation als gleichberechtigten Partner wahrnehmen."

sti/stu (afp, dpa, rtr)