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Punktsieg für Mursi

3. Dezember 2012

Wieder hat sich Ägyptens Präsident Mursi mit seiner autoritären Linie durchgesetzt: Ungeachtet eines richterlichen Boykottaufrufs will der Oberste Justizrat das umstrittene Verfassungsreferendum überwachen.

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Gericht in Ägypten bei der Urteilsverkündung (Foto: AP)
Bild: dapd

Erst hatte der Vorsitzende der Berufsgenossenschaft der Richter, Ahmed al-Sind, seine Kollegen aufgerufen, dem Referendum fernzubleiben. Dann stellte Richter Ahmed Abdulrahman, Mitglied im Justizrat, laut der Zeitung "Al-Ahram" klar, dass dies nicht erlaubt sein werde. Nach ägyptischem Recht müssen solche Volksabstimmungen von Richtern beaufsichtigt werden. Sie könnten sonst für ungültig erklärt werden.

Damit scheint Präsident Mohammed Mursi den Machtkampf mit der Justiz vorerst für sich entschieden zu haben. Die höchste Instanz der Justiz habe verstanden, dass sie eine Verantwortung gegenüber der Nation habe, sagte der Rechtsberater des Präsidenten, Mohammed Gadallah. Zur Kontrolle seien etwa 10.000 Angehörige der Justiz nötig. Es müssten nicht unbedingt Richter, es könnten auch Staatsanwälte sein.

Richter gegen Richter

Der Richterclub hatte in der vergangenen Woche zu einem Streik an allen Gerichten aufgerufen, um von Mursi die Rücknahme seiner Verfassungsdekrete zu erzwingen, mit denen er die Justiz weitgehend entmachtet hatte. So hatte der Präsident seine Machtbefugnisse erheblich ausgeweitet und eine juristische Überprüfung dieses Vorgehens verboten. Außerdem hatte er den Richtern untersagt, die umstrittene Verfassunggebende Versammlung aufzulösen.

Machtkampf in Ägypten

Am Sonntag hatte der Richterclub dann zu einem Boykott des Referendums aufgerufen. Daraufhin reagierte die islamistische Muslimbruderschaft, aus deren Mitte Mursi stammt, mit einer Demonstration ihrer Macht: Tausende umstellten das Verfassungsgericht. Sie wollten die Richter daran hindern, über die Rechtmäßigkeit der Verfassunggebenden Versammlung zu beraten. Prompt verschoben die Verfassungsrichter ihre Entscheidung auf unbestimmte Zeit.

Zerreißprobe

Die neue Verfassung soll das Grundgesetz aus der Zeit des im Februar 2011 gestürzten Langzeitherrschers Husni Mubarak ersetzen. Der Entwurf war am Freitag in der von Islamisten dominierten Versammlung beschlossen worden. Es verleiht dem islamischen Recht der Scharia und den muslimischen Rechtsgelehrten ein noch stärkeres Gewicht bei der Gesetzgebung als bisher. Liberale und säkulare Gruppierungen sowie die christliche Minderheit hatten die Verfassungskommission zuletzt boykottiert. Sie werfen den Islamisten vor, einen Gottesstaat anzustreben.

Die Opposition wirft Mursi einen diktatorischen Führungsstil vor und vergleicht ihn mit Mubarak. Der Präsident rechtfertigt sein Vorgehen damit, Gefahren von Ägypten abwehren müssen. Derweil schließt auch die Opposition immer mehr ihre Reihen. Mehrere Medien des Landes und die wichtige Tourismusindustrie erwägen, sich dem Streik der Richter anzuschließen.

gmf/rb (afp, dpd, dpa, rtr)