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Publizist Hermann Glaser ist tot

18. Juni 2018

Hermann Glaser hat die Kulturpolitik der Nachkriegszeit maßgeblich geprägt, er wollte "die Verhältnisse zum Tanzen bringen". Als Historiker forschte er zu den Ursachen für den Nationalsozialismus.

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Hermann Glaser verstorben
Bild: picture-alliance/dpa/D.Karmann

Er kämpfte für mehr Offenheit und mehr Vielfalt, für Teilhabe anstelle von steifen Kulturtempeln. In der Kulturpolitik der 1960er und 70er Jahre war das ein revolutionärer Ansatz. Nun ist der Publizist und Kulturpolitiker im Alter von 89 Jahren gestorben, wie sein Sohn Uli Glaser mitteilte.

Verstehen, wie es zum Nationalsozialismus kommen konnte

Mehr als 80 Werke hat der Historiker selbst verfasst. Darunter auch die "Kleine Kulturgeschichte Deutschlands". Besonders eine Frage ließ ihm keine Ruhe: "Wie konnte es dazu kommen, dass sich in diesem Volk, das im 18. und 19. Jahrhundert viel zum geistig-kulturellen Leben beigetragen hat, der Nationalsozialismus endemisch ausbreiten konnte?"

Hermann Glaser, Kulturgeschichte Deutschlands
Eine der bekanntesten Publikationen Glasers

Seine These: Universitäten, Militär, Kirche, Schulen und Verwaltung hätten im 19. Jahrhundert alle geistigen Werte pervertiert und ins Gegenteil gezogen. "Die Nationalsozialisten konnten nur so erfolgreich sein, weil sie auf einen Resonanzboden stießen", fasste Glaser seine Erkenntnisse kurz vor seinem 85. Geburtstag zusammen.

"Die Verhältnisse zum Tanzen bringen"

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sei die deutsche Gesellschaft weiter von konservativ-reaktionären Elementen geprägt gewesen, so Glaser: "Nach 1945 war der Nationalsozialismus zwar weg, aber im Kulturbereich wurde an die klassische Kultur angeknüpft. Innerlich fand die Reform erst in den 60er/70er Jahren statt."

26 Jahre lang war Hermann Glaser Kulturdezernent in Nürnberg, 15 Jahre lang leitete er den Kulturausschuss des Deutschen Städtetages. Auch der Kulturpolitischen Gesellschaft saß er vor und kämpfte für eine demokratische, um die Teilhabe möglichst vieler Menschen bemühte Kulturpolitik, die auch mal alternative Experimente wagt. Er gilt als Vordenker einer neuen Kulturpolitik, die "die Verhältnisse zum Tanzen bringen" wollte.

Gemischte Gefühle zur heutigen Gesellschaft

Der dreifache Vater und mehrfache Großvater zog vor knapp fünf Jahren selbst eine eher gemischte Bilanz: "Ich konnte manches verändern, manches schaffen." Zugleich sorgte er sich schon damals um eine "Entpolitisierung" in Deutschland: Gesellschaftliche Skandale brauchten sehr lange, "bis sie zu einer Gegenkraft führen".

jhi/nf (dpa, epd)

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