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Ende des Familienfriedens

31. Januar 2011

Zahnspange, Liebeskummer und Schulstress. Die Pubertät ist für Kinder und Eltern eine schwierige Zeit. Viele Mütter und Väter fühlen sich mit der Erziehung überfordert und suchen Hilfe in Elternkursen.

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Zahnspangenmode auf Fashion Show (Foto: AP Photo/Stephen Chernin)
Bild: AP

Marie vergisst ständig, den Müll zu entsorgen, Lisa chattet lieber im Internet als Hausaufgaben zu machen. Florian kommt immer wieder betrunken von Parties nach Hause. Meistens ähneln sich die Klagen, die Paula Honkanen-Schoberth von Eltern hört. "Wenn Kinder in die Pubertät kommen, ist es mit dem Familienfrieden oft vorbei", sagt die Soziologin, die seit vier Jahren als Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes in Berlin arbeitet.

"Viele Eltern sind ratlos und wütend, weil die Jugendlichen sich so leichtfertig über Regeln hinwegsetzen", beobachtet die Soziologin. Doch während die Familien früher ihre Kämpfe alleine ausfochten, suchen sich heute immer mehr Eltern in Deutschland professionelle Hilfe. "Mütter und Väter sind offener geworden, über Erziehungsfragen zu reden", sagt Honkanen-Schoberth. "Sie bemühen sich um ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kindern und investieren dafür auch Zeit und Geld."

Weder autoritär noch laissez-faire

Logo Starke Eltern - Starke Kinder (Foto: DKSB Bundesverband e.V.)
Bild: DKSB Bundesverband e.V.

Rund 160.000 Mütter und Väter hat der Deutsche Kinderschutzbund mit seinen Kursen "Starke Eltern – starke Kinder", die die finnische Soziologin 1985 in Aachen startete, erreicht. Sie brachte die Idee aus Finnland mit und entwickelte für den Kinderschutzbund ein Konzept, das sich auch an spezielle Elterngruppen richtet, darunter Mütter und Väter pubertierender Kinder. Bundesweit sind bis heute 12.000 Kursleiter ausgebildet worden. Die Seminare bestehen aus 10 bis 12 Kursterminen mit je zwei bis drei Stunden, an denen bis zu 16 Mütter und Väter teilnehmen können.

"Dabei geht es viel um Kommunikation in der Familie, um Gewaltfreiheit und ums Grenzen setzen", fasst Honkanen-Schoberth ihre Konzeption zusammen. Bei Eltern pubertierender Kinder beobachtet die 59-jährige Soziologin und Familientherapeutin vor allem zwei Verhaltensweisen. Manche Eltern zögen "die Schnüre ganz kurz" und forderten damit noch mehr Grenzüberschreitungen ihrer Kinder heraus. Andere resignierten nach dem Motto "Mach doch, was du willst."

Freiheiten geben, Grenzen setzen

Der Pädagoge und Buchautor Jan-Uwe Rogge (Foto: Jan-Uwe Rogge)
Jan-Uwe RoggeBild: Jan-Uwe Rogge

Beides sei falsch, betont der Hamburger Erziehungsberater und Buchautor Jan-Uwe Rogge. Eltern sollten ihren Kindern auch Freiheiten gewähren, rät er. "Die schwierigste Hausaufgabe für Eltern in meiner Beratung lautet, das Wort Schule eine ganze Woche lang nicht in den Mund zu nehmen." Natürlich sollten sie die Schule ernst nehmen, aber gelassen bleiben, wenn Jugendliche mal nicht lernen wollten.

Rogge warnt allerdings davor, dass Eltern ihren Kindern alle Entscheidungen selbst überlassen. "Pubertierende brauchen Grenzen, weil sie Orientierung und Geborgenheit geben." Aber die Regeln sollten "unaufgeregt" besprochen und die Strafen bei Überschreiten der Grenzen gemeinsam mit den Kindern festgelegt werden. Damit Ruhe in die Auseinandersetzung kommt, empfiehlt der Pädagoge Eltern sogar, eine "Auszeit" zu nehmen. "Sie sollten die Diskussion erstmal beenden, sie aber nach einiger Zeit wieder aufgreifen und sich um eine für alle befriedigende Lösung bemühen."

Eigene Werte überprüfen

Paula Honkanen-Schoberth, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbund Bundesverbandes e.V. (Foto: DKSB Bundesverband e.V.)
Paula Honkanen-SchoberthBild: DKSB Bundesverband e.V.

Beim Thema Computer, Alkohol oder Ausgehen kann das bisweilen schwierig sein. "Eltern müssen sich informieren, welche Ausgehzeiten, Computerspiele und Getränke für Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren angemessen sind und welche Freiheiten sie persönlich ihren Kindern dabei lassen wollen", sagt Paula Honkanen-Schoberth. Elternkurse könnten dabei helfen, sich über die eigenen Werte in der Erziehung klar zu werden. Außerdem sei der offene Austausch über die Konflikte in der Familie und die gemeinsame Suche nach Lösungen sehr entlastend. "Mütter und Väter erfahren hier, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind."

Edward Munch: Puberty 1895; Öl auf Leinwand, 150 x 110 cm (59 5/8 x 43 1/4 in); (Foto: Nationalgalerie Oslo)
Edward Munch: "Pubertät"

Schließlich sei die Pubertät eine Phase des Aufbruchs und Umbruchs, die immer Unruhe in die Familie bringe, betont die Soziologin. Bei den Teenagern spielten die Hormone verrückt und sorgten für eine Reihe von Veränderungen im Gehirn. Zwar steige die Intelligenz, aber der Umgang mit Gefühlen, die Impulskontrolle und Handlungsplanung seien beeinträchtigt. "Die Verhaltensänderung ist ein natürlicher Prozess, keine Folge einer grundfalschen Erziehung", beruhigt Honkanen-Schoberth. "Wer mit seinen Kindern im Gespräch bleibt, wird sie nicht verlieren."

Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Conny Paul