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Prösterchen in Brüssel

Bernd Riegert, Brüssel28. Juni 2006

Finnland, das am 1. Juli den EU- übernimmt, hat sich ein hochkontroverses, für die Zukunft Europas wegweisendes Thema vorgenommen: Nicht die Verfassung, nicht die Erweiterung, nicht Energie oder Wachstum, nein! Alkohol!

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In Europa wird viel gesoffen, vergleicht man den Kontinent mit dem Rest der Welt. Die Europäer sind Spitzenreiter beim Alkoholkonsum mit elf Litern reinen Alkohols pro Jahr und Erwachsenem. Besonders viel und hart getrunken wird im Norden, während die Genusstrinker eher im Süden zu finden sind.

Gerade Finnland hat in der EU den Ruf weg, dass zwischen Polarkreis und Meerbusen gerne bis zur völligen Besinnungslosigkeit gezecht wird. Die finnische Regierung hat schon im März beschlossen, sich der Alkoholflut entgegen zu stemmen. Was für Finnland gut ist, kann für Europa nicht schlecht sein, sagt Pekka Puska, Generaldirektor des Nationalen Gesundheitsinstituts in Helsinki. Die EU müsse mehr tun.

Mehr Gesundheitskosten als Alkoholsteuern

Dieses Plädoyer trifft bei EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou auf fruchtbaren Boden, denn auch der Zyprer will schon lange dem Alkohol zu Leibe rücken. Bislang haben sich die Mitgliedsstaaten aber standhaft geweigert, obwohl die EU-weiten Gesundheitskosten für schadhafte Lebern, Entziehungskuren und alkoholbedingte Unfälle je nach Quelle auf bis zu 125 Milliarden Euro jährlich geschätzt werden. Die Einnahmen aus Alkoholsteuern betragen dagegen nur 25 Milliarden Euro.

Die Finnen wollen Europa nicht trockenlegen, aber Bier-, Wein- und Kornflaschen soll ein Warnhinweis zieren, ähnlich denen, die Raucher auf Zigarettenpackungen finden und ignorieren. Werbung für Alkoholprodukte soll stark eingeschränkt werden. Alkohol soll erst nach 9 Uhr morgens verkauft werden (Warum weiß niemand so genau). Der Verkauf von Bier an Minderjährige soll eingeschränkt werden, denn heute geben 90 Prozent aller 15- bis 16jährigen in der EU an, bereits Alkohol getrunken zu haben.

Warnhinweis für Schwangere

Die Abstinenzlerbewegung aus dem Norden trifft in Deutschland bereits auf bierseligen Widerstand. Deutsche Brauer, Weinbauern und Gaststättenbetreiber wehren sich gegen die Gesundheitsapostel der EU. In Frankreich hingegen, Weinkonsumland Nummer eins, hat das Parlament bereits beschlossen, demnächst Warnhinweise für Schwangere auf alle Flaschen zu drucken.

Von einer einheitlichen Alkoholpolitik ist die EU noch weit entfernt. Während in Zypern betrunkenes Autofahren immer noch als Kavaliersdelikt angesehen wird, gibt es in Spanien überhaupt kein Mindestalter für die Abgabe von Alkohol. In Ungarn gelten Getränke mit weniger als fünf Prozent Alkohol (also Bier) nicht als alkoholisch. Die Steuersätze sind völlig unterschiedlich. In den nordischen Staaten verlangen die Bürger in Umfragen den Verkauf von Bier in normalen Supermärkten, während dies im Baltikum abgeschafft werden soll. Da kommt auf die anti-alkoholische Ratspräsidentschaft aus Finnland noch viel Arbeit zu. Na, denn Prost! (Waren nicht Johnny Walker und Maria Cron auch schon mal EU-Kommissare? – Hicks -).