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Präsidentschaftswahlen in Bosnien-Herzegowina

20. September 2002

- DW-Interviews mit den Kandidaten der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft und des Wirtschaftsblocks

https://p.dw.com/p/2gdd

Köln, 18.9.2002, DW-radio / Bosnisch

Am Telefon haben wir Dragan Covic, Vorstandsmitglied der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) und Kandidat dieser Partei für einen Sitz in der gemeinsamen Präsidentschaft von Bosnien-Herzegowina bei den bevorstehenden Wahlen.

Frage:

Wenn die Wähler Sie in das Amt wählen, für das Sie kandidieren, was werden ihre Prioritäten sein, und inwiefern werden Sie sich von den Prioritäten der jetzigen Präsidentschaft unterscheiden?

Antwort:

Vor allem möchten wir einen Rechtsstaat schaffen, Verantwortung übernehmen. Durch gute und freundschaftliche Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft möchten wir eine Grundlage schaffen, auf der wir selbst legislativ tätig werden. Wir müssen vor allem die Verantwortung in die eigenen Hände nehmen, und dadurch schaffen wir wirtschaftliche und soziale Stabilität. Ich denke, dass Bosnien-Herzegowina sich auf einem Weg befindet, der keine Rückkehr im wirtschaftlichen Sinne mehr erlaubt. Jetzt wird immer häufiger vom Bankrott des Staates gesprochen. Wir stellen ein soziales und wirtschaftliches Programm dagegen, an dem angesehene Professoren, Doktoren und andere Experten die letzten sieben bis acht Monate gearbeitet haben. (...) Dies kann die Grundlage für eine Plattform bieten, die ausländische Investitionen anlockt.

Frage:

Was sind Ihre Ziele und Prioritäten, falls Sie die Wahl gewinnen?

Antwort:

Unser Ziel ist es, die Lage des kroatischen Volkes im Vergleich zur jetzigen Situation qualitativ zu verbessern. Dazu müssen wir in drei Richtungen arbeiten. Die erste Richtung ist die Umsetzung der Verfassung von Bosnien-Herzegowina, damit das kroatische Volk den anderen gleichgestellt wird. Das zweite ist selbstverständlich der Rechtsstaat. Wir glauben, dass es zu diesem Zeitpunkt zu viele Gesetze gibt, die vom hohen Repräsentanten durchgesetzt werden. Wir werden, wenn wir an die Regierung kommen, auch mehr Eigenverantwortung übernehmen. Und wir werden dafür sorgen, dass in einem Rechtsstaat die Exekutive, Legislative und Judikative auch funktionieren. Dabei wird uns die internationale Gemeinschaft als guter Freund und Partner bei der Umsetzung unserer Ziele helfen. Die dritte Aufgabe, die parallel durchgeführt werden muss, ist die wirtschaftliche und soziale Stabilisierung. Wir haben einen äußerst negativen wirtschaftlich-sozialen Trend in Bosnien-Herzegowina. Wir müssen alles dafür tun, damit wir diesen Trend aufhalten und uns Westeuropa annähern. Wir sind nicht davon überzeugt, dass wir uns Westeuropa annähern können, falls die Situation in Bosnien so bleibt, wie sie derzeit ist. Natürlich heißt das auch, dass wir unser politisches Handeln ändern müssen und mit jenen koalieren, die in gleicher Weise über die Zukunft von Bosnien-Herzegowina denken. Um damit Erfolg zu haben (...) müssen wir als eine Partei mit einem kroatischen Vorzeichen ein breites Bündnis mit dem kroatischen Volk schaffen.

Frage:

Einzelne Medien haben Ihnen vorgeworfen, dass Sie für die Auflösung der Mostarer Firma Soko verantwortlich sind, und dass Sie Ihre Position für persönliche Zwecke mißbraucht haben. Wie kommentieren Sie das?

Antwort:

Ich würde sagen, dass im Rahmen unseres Wahlkampfes, als bekannt wurde, dass ich für die Präsidentschaft kandidieren werde, verschiedene [politische Gegner] versuchten, mich aus wahlkampftaktischen Gründen zu beschuldigen. Ich glaube persönlich, dass es für derartige Beschuldigungen keine Grundlage gibt. Ich leitete die Firma Soko bis 1998, als sie äußerst erfolgreich war. Danach begann unseren Gesetzen entsprechend der Privatisierungsprozess. (...) Ich hoffe, dass sich durch diesen Privatisierungsprozeß und dadurch, dass die Mitarbeiter und bestimmte Agenturen, die in Bosnien und Herzegowina tätig sind und nun die Aktienmehrheit haben, Soko wieder so entwickeln wird wie in der Zeit, als ich Generaldirektor war.

Frage:

Einige HDZ Mitglieder haben sich jüngst für die Gründung einer dritten Entität eingesetzt. Wie sehen Sie die Zukunft von Bosnien-Herzegowina?

Antwort:

Auf jeden Fall besteht die Zukunft von Bosnien-Herzegowina nicht auf den [verfassungsmäßigen] Grundlagen, die wir heute haben. Wir glauben, dass wir die Gleichberechtigung der drei Völker, die in Bosnien-Herzegowina leben, sicherstellen müssen. Ich glaube, dass zu diesem Zeitpunkt die Kroaten benachteiligt sind. Ob das durch eine Reorganisation von Bosnien und Herzegowina in drei Entitäten stattfindet, oder durch eine andere Form der Regionalisierung, oder durch eine mögliche Kantonalisierung, das ist eine Frage, über die man sich noch mit allen Seiten einigen muß. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass der jetzige Verfassungsrahmen für keines der konstitutiven Völker in Bosnien-Herzegowina zufriedenstellend ist.

Am Telefon haben wir nun Mladen Ivankovic-Lijanovic, den Vorsitzenden der Volkspartei "Durch Arbeit zu einem besseren Leben" und Kandidaten des Wirtschaftsblocks für die Präsidentschaft.

Frage:

Sie stellen im Unterschied zu anderen Parteien Wirtschaftsthemen an die erste Stelle Ihres Programms. Das ist sicherlich richtig, wenn wir betrachten, dass die Arbeitslosenrate in Bosnien-Herzegowina bei 40 Prozent liegt. Auf welche Weise möchten Sie Bosnien-Herzegowina aus seiner schweren wirtschaftlichen Krise führen?

Antwort

:(...) An erster Stelle steht für uns die Frage, wie wir 350 000 Menschen in Brot und Lohn bringen können. Vielleicht klingt diese Zahl einigen als zu große Herausforderung. Aber Leute, die aus der Wirtschaft kommen wie wir, die Brüder Lijanovic, wissen, dass das möglich ist. (...) Wir glauben, dass wir die nationale Frage von Bosnien-Herzegowina nur lösen können, indem wir den Lebensstandard der Menschen anheben, und zwar dadurch, dass die Wirtschaft in Schwung kommt. Wir akzeptieren die jüngsten Verfassungsänderungen, aber es ist klar, dass auch Änderungen in der Verfassung eingebracht werden müssen. Diese Änderungen führen wir nicht nur durch, um Änderungen vorzuweisen. Wir müssen vielmehr das beseitigen, was die Wirtschaftsentwicklung hemmt, und nur dadurch können wir die staatliche Verwaltung rationalisieren.

Frage:

Wenn Ihre Priorität die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist, muss sich zunächst die inländische Produktion wieder lohnen, wie wollen Sie das schaffen?

Antwort:

Drei Maßnahmen sind der Schlüssel zur Wiederbelebung der einheimischen Wirtschaft: Das ist die Zollpolitik, die Subventionspolitik und die Steuerpolitik innerhalb des Staates. Wir haben jetzt die Zollpolitik so definiert, dass fremde Waren Bosnien überschwemmen, aber auf der anderen Seite Bosnien nichts ausführen kann. Daher sind wir aufgrund dieser Politik in einer sehr ungünstigen Situation. Es ist wirtschaftlich einfach unmöglich, dass Bosnien mit einer solchen Politik ein Wirtschaftswachstum erlebt.

Frage:

Herr Ivankovic, wie sehen Sie die politische Zukunft von Bosnien-Herzegowina?

Antwort:

Bosnien-Herzegowina sehen wir in der EU. Das heißt, die einzige Art und Weise, dort hin zu kommen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen uns und den Nachbarn und die wirtschaftliche Entwicklung. Wir wissen, dass wir als wirtschaftlich unterentwickelter [Staat] nicht in die EU kommen werden. Und um das trotzdem zu erreichen, müssen wir uns um die Rationalisierung der Staatsverwaltung kümmern, und die Steuer-, Zoll- und Subventionspolitik ändern. (Interview: Belma Fazlagic-Sestic) (md)