Prozessauftakt im WorldCom-Skandal
18. Januar 2005Bernie Ebbers verkörperte genau das, was man unter einem amerikanischen Selfmade-Man versteht: In knapp 20 Jahren machte er aus dem von ihm gegründeten Nischenanbieter WorldCom den weltweit zweitgrößten Telekom-Konzern. Die bei der Expansion getätigten Zukäufe wurden allerdings fast ausschließlich mit Krediten und den eigenen, hoch bewerteten Aktien finanziert. Am Ende hatte WorldCom die Gewinne um elf Milliarden US-Dollar nach oben manipuliert und einen Schuldenberg von 30 Milliarden angehäuft. Im Juni 2002 musste der Konzern zugeben, über Monate hinweg Milliarden-Ausgaben als Investitionen statt als Kosten verbucht zu haben.
Ebbers drohen jetzt zwischen 25 und 30 Jahre Haft, am Dienstag (18.1.2005) begann in New York der Prozess gegen ihn. "Jeder weiß, dass er wie ein kaiserlicher Cäsar über sein Unternehmen wachte. Keiner wird ihm glauben, dass er nicht wusste, was los war", sagt John Coffee. Für den Juraprofessor an der New Yorker Columbia Universität ist Ebbers' Verurteilung so gut wie sicher. Außerdem habe der ehemalige Finanzvorstand schon ein Geständnis abgelegt. Er wolle als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft gegen seinen ehemaligen Chef aussagen, um eine milde Strafe zu bekommen.
Zwei von 20
Bis zu einem Urteil werden noch Monate vergehen. Monate, in denen die geprellten Anleger auch weiter um Entschädigungen kämpfen. Von den insgesamt 20 Sammelklagen sind erst zwei geklärt: Die Citi-Group, deren Analyst die WorldCom-Aktie bis zum Schluss empfahl, wird 2,6 Milliarden Dollar zahlen.
Der andere Vergleich wurde Anfang Januar 2005 erzielt: Zehn geschasste Verwaltungsräte haben sich bereit erklärt, 20 Prozent ihres persönlichen Vermögens für geschädigte Aktionäre abzuzweigen. Verbraucherschutzexperten wie Patrick McGarn sprechen von einem Präzedenzfall: "Das ist eine klare Botschaft in die Verwaltungsratsetagen, dass sie nicht mehr automatisch durch die Haftpflichtversicherungen der Firmen abgesichert sind. Jetzt gilt: Wer als Finanzkontrolleur ein Honorar kassiert, muss auch die treuhänderischen Pflichten ernst nehmen."
Wieder fit
Das Unternehmen WorldCom firmiert jetzt unter dem Namen MCI und ist inzwischen auch aus der Insolvenz hervorgegangen. Immer noch drücken hohe Abschreibungen auf das Ergebnis, auf operativer Basis werden aber wieder Gewinne erzielt. Selbst vorsichtig gewordene Telekom-Analysten wie Scott Cleland sind beeindruckt: "Das ist die größte Rehabilitation des korruptesten Unternehmens in der Geschichte Amerikas. Viele Telekom-Gesellschaften haben versucht, MCI während der Insolvenz auszubooten. Aber das ist nicht gelungen, weil die Regierung gegengesteuert hat. Sie hat alles getan, damit aus dem Konzern wieder ein dynamischer Wettbewerber wird."
Ironie der Gerechtigkeit
Andere müssen draufzahlen, denn seit den Finanzskandalen gelten in den USA viel striktere Regeln. Der damit verbundene Zeit- und Personalaufwand macht vor allem den kleinen Firmen zu schaffen: Bei denen sind die Kosten für Rechnungslegung und Unternehmensführung um 130 Prozent explodiert.