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Prozess unter Polizeischutz

16. April 2002

Am Dienstag (16.04.) beginnt der erste deutsche El Kaida-Prozess. Für Richter, Staatsanwälte und Verteidiger im Frankfurter Justizzentrum ist es kein Verfahren wie jedes andere: Sie haben Angst um ihr Leben.

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Polizist mit Maschinenpistole am Besuchereingang des Frankfurter JustizzentrumsBild: AP

"Wir sind alle in großer Sorge um unsere Sicherheit wegen dieses Prozesses", sagte Heinrich Gehrke, der Vorsitzende des Frankfurter Richterrats, im Gespräch mit DW-WORLD. Er und andere Mitarbeiter des Frankfurter Gerichts fürchten mögliche Befreiungsversuche durch Komplizen der Angeklagten.

Die fünf beschuldigten algerischen Islamisten sollen laut Anklageschrift des Generalbundesanwalts einer Terror-Organisation angehört haben. Der Gruppe wird die Planung eines Bombenanschlages auf den Straßburger Weihnachtsmarkt vorgeworfen. Es bestehe zudem der Verdacht, dass die Männer zu den "Gotteskriegern" (Mujahedin) Osama bin Ladens Kontakt hatten. Sicher sei jedenfalls, dass sie ab 1998 Schulungen in Afghanistan durchlaufen hätten.

Bombenwerkstätten in Frankfurt

Bei der Verhaftung der Männer in zwei Frankfurter Wohnungen hoben die Polizisten im Dezember 2000 regelrechte Bombenwerkstätten aus. Sie fanden unter anderem 29 Kilogramm Kaliumpermanganat sowie Aceton, Batteriesäure und andere Mittel, die bei richtiger Mischung einen brandgefährlichen Explosivstoff ergeben.

"Darüber hinaus fanden sich in den Wohnungen zwei Sprengzünder, Anleitungsbücher zur Herstellung und Verwendung von Sprengsätzen, Elektronikschaltpläne für den Einsatz funkferngesteuerter Auslösevorrichtungen, elf Schusswaffen nebst Zubehör und eine Vielzahl falscher Identitätspapiere", so der Generalbundesanwalt in einer Erklärung.

"Fahrt zur Hölle"

Die Polizei entdeckte auch eine Videokassette mit Aufnahmen vom Straßburger Weihnachtsmarkt. Die Bilder waren mit einem eindeutigen Kommentar des Kameramanns unterlegt. Er sagte: "Ihr fahrt zur Hölle, so Gott will."

Aus Sicherheitsgründen sperrt die Polizei an den Verhandlungstagen kleinere Straßen um das Justizzentrum in der Frankfurter Innenstadt. Sie kontrolliert außerdem die Eingänge zum Gerichtsgebäude und zu einer angrenzenden Kantine.

"Augenwischerei"

Richter Gehrke hält diese Maßnahmen jedoch für unzureichend. "Aus unserer Sicht ist das Augenwischerei. So kann man sich nicht vor Leuten schützen, die wie in Djerba Tanklastzüge in die Luft sprengen."

Der Richter verwies auf mehrere Sicherheitslücken. Dazu zähle zum Beispiel die stark befahrene, nicht gesperrte Konrad-Adenauer-Straße vor dem Gebäude. Sie sei nur drei Meter entfernt. Auch eine Großbaustelle gegenüber, ein nahes Parkhaus und U-Bahn-Schächte bieten laut Kennern des Geländes Angriffspunkte für Terroristen.

Zum vielleicht größten Problem für die Sicherheit könnte die Aufmerksamkeit der Wachleute werden. Sie müssen ein Gebäude sichern, in dem täglich Dutzende von Verhandlungen stattfinden und etwa 4.000 Besucher ein- und ausgehen. Die Aufpasser müssen jeden Verdächtigen kontrollieren. Die Kontrollen dürften auf die Dauer zermürbend werden: "Ein Jahr wird für das Verfahren kaum reichen", sagt Gerichtssprecher Wolfgang Frank. (mas)