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Protest mit vorgehaltener Waffe

Stefanie Duckstein24. Mai 2012

Es erfordert Mut, für politischen Wandel einzutreten. Der Arabische Frühling inspirierte auch Subsahara-Afrika. Tausende forderten ihre Menschenrechte ein. Mit ähnlichem Erfolg wie in Nordafrika?

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Demonstranten protestieren gegen President Abdoulaye Wade in Dakar, Senegal, (Foto: AP)
Bild: dapd

Die senegalesische Hauptstadt Dakar am 31. Januar 2012: Die Straßen brennen. Polizisten mit Schutzschilden und in schusssicheren Westen rücken auf eine Menschengruppe vor. Demonstranten stieben auseinander. Später wird man aus den Nachrichten von Opfern erfahren.

Wie im Senegal protestierten die Menschen in den vergangenen zwölf Monaten in unzähligen afrikanischen Städten. Wut über horrende Lebensmittelpreise, Korruption und die Selbstgefälligkeit langjähriger autokratischer Herrscher - das vergangene Jahr gehörte dem Protest der Straße, erklärt Erwin van der Borght, Afrika-Direktor von Amnesty International.

Von Wut, Mut und Verzweiflung

Jahr für Jahr diagnostiziert die Londoner Organisation, wie es um die Menschenrechte in der Welt bestellt ist. Der Funke des Arabischen Frühlings sei auch auf die Staaten südlich der Sahara übergesprungen. Doch leider, so van der Borght, nicht mit ähnlichem Erfolg. "Die Reaktionen der Herrscher fielen häufig brutal aus. Demonstrationen wurden niedergeschlagen, und das oft mit exzessiver Polizei-Gewalt." Anstatt auf Forderungen nach mehr Freiheit, besseren Lebensbedingungen und weniger Armut positiv zu reagieren und die Probleme anzuerkennen, so van der Borght, haben die Herrscher hart durchgegriffen. Ob im Sudan, Angola, Simbabwe oder Senegal – Proteste wurden brutal niedergeschlagen, gestützt durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Es gab Verletzte und Tote. Das bittere Fazit von Amnesty International: "Politische Führer waren in vielen Staaten in Subsahara-Afrika eher Teil des Problems als dessen Lösung."

Polizisten in Dakar, Senegal (Foto: dapd)
"Mit der Macht des Sicherheitsapparates" - Polizisten in DakarBild: AP

Zum Beispiel in Uganda. Im Zuge der Präsidentschaftswahlen untersagte die Regierung im Februar 2011 alle öffentlichen Proteste. Kein Problem, fand das Bündnis Activists for Change und rief - mit Hintersinn - die Menschen auf, zu Fuß zur Arbeit zu gehen: Aus Protest gegen die Verteuerung von Benzinpreisen, überhöhte Lebensmittelpreise und die Unterdrückung der Pressefreiheit. "Walk to Work" hieß das Motto. Das Ergebnis: Wochenlange Proteste in Kampala und anderen Großstädten. Die Antwort der Regierung: In Kampala feuert die Polizei mit Wasserwerfern und roter Farbe auf Siedlungen vermeintlicher Regierungsgegner. Unzählige Demonstranten werden festgenommen. Im Zentrum der Proteste steht der prominente Oppositionspolitiker Kizza Besigye. Am 18. März 2011 gibt er den Journalisten in Kampala zu Protokoll: "Der Staat hat Angst. Nicht weil ich auf die Straße gehe. Der Staat hat Angst vor seinen Bürgern." Seinen Arm trägt Besigye in Gips. Resultat eines Übergriffs der Polizeikräfte.

Enttäuschte Hoffnung: Sudan

Ein anderer Brennpunkt nach Amnesty International: der Konflikt zwischen Sudan und Südsudan. Was als Erfolgsgeschichte mit der friedlichen Unabhängigkeit des Südsudan im Juli 2011 begann, entwickelt sich immer mehr zur humanitären Katastrophe. Der ungeklärte Status der ölreichen Grenzregion Abyei, offene Konflikte in den Bundesstaaten Blue Nile und Süd-Kordofan, aber auch ethnische Auseinandersetzungen im Südsudan – all das eskaliert in Tötungen und massenhafter Vertreibung, so Erwin van der Borght. "Das Problem hier ist ein Scheitern der politischen Führung, sowohl im Sudan als auch im Süd-Sudan. Beide haben es versäumt, offene Fragen wie die Aufteilung der Öleinnahmen oder Grenzziehung noch vor der Unabhängigkeit des Südens zu lösen. Das Versagen führte zu einer erhöhten Spannung zwischen beiden Staaten und führte schließlich zum offenen Konflikt im April dieses Jahres."

Logo Amnesty International
Bank für die Menschrechte: Amnesty International

Viele Herrscher, viel Gewalt

Schauplatz Mali. Eine Folge von Ereignissen erschüttert seit Monaten das gesamte Land. Amnesty International spricht von den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen seit 50 Jahren. Erst führte der Zusammenbruch Libyens ehemalige Gaddafi-Kämpfer zurück nach Mali. Das verschärfte die Unsicherheit im Land und verlieh der Tuareg-Rebellion im Norden sowie der Aktivität von Al-Kaida im Maghreb Auftrieb. Es folgten ein Militärputsch und die Einsetzung einer Übergangsregierung. Willkürliche Festnahmen, gesetzeswidrige Tötungen, Vertreibung und Vergewaltigungen - alle Parteien, so van der Borght, haben sich schweren Missbrauchs und Menschrechtsverletzungen schuldig gemacht. "Es ist schwer vorherzusagen, wie sich das Ganze entwickeln wird. Wir sind besorgt über die noch immer starke Rolle des Militärs in Bamako. Das könnte zu weiteren Menschenrechtsverletzungen führen."

Demonstranten in Bamako, Mali (Foto: dapd)
Proteste in Malis Hauptstadt BamakoBild: AP

Tendenz: Terror

Eine gefährliche Tendenz, die sich im Rückblick der Menschenrechtsorganisation auf das vergangene Jahr zeigt, sei die Zunahme an terroristischen Angriffen der radikalislamischen Sekte Boko Haram in Nigeria, Al-Schabaab in Somalia und Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQIM): Die Anschläge werden radikaler und treffen eine immer größere Zahl an Zivilisten. Problematisch in diesem Zusammenhang seien nicht allein die Angriffe selbst, sondern auch die Reaktionen der Sicherheitskräfte, meint Erwin van der Borght. "Als Reaktion auf diese Terrorakte beobachten wir unter den Behörden zunehmend Menschenrechtsverletzungen, zum Beispiel willkürliche Festnahmen von Personen, die verdächtigt werden, an den Anschlägen beteiligt zu sein oder Verhaftungswellen in Nigeria, wo Hunderte Verdächtige festgenommen werden. In Mauretanien und in Nigeria sehen wir, dass Menschen verschwinden, dass sie undokumentiert verhaftet werden. Oft leugnen die Behörden dann die Festnahme."

Erwin van der Borght, Afrika-Direktor, Amnesty International
Erwin van der Borght, Afrika-Direktor, Amnesty InternationalBild: Amnesty International/Mark Allan

Das sei eindeutig eine ernstzunehmende Bedrohung für ganz Subsahara-Afrika, warnt der Menschenrechtler Erwin van der Borght.