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Proteste zum Jahrestag

Peter Qiu / Rainer Sollich1. Juli 2003

Vor sechs Jahren ging Hongkong an China zurück. Die diesjährigen Feierlichkeiten wurden begleitet von einer riesigen Demonstration: Etwa 200.000 Menschen protestierten gegen geplante Einschnitte bei den Bürgerrechten.

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"Nieder mit Tung", Hongkongs RegierungschefBild: AP

Es war die größte Demonstration seit 1997, dem Jahr, als Großbritannien seine Kronkolonie an China zurückgab: Rund drei Prozent aller Hongkonger Bürger gingen am Dienstag (1. Juli 2003) auf die Straße, um gegen den Artikel 23 des nationalen Sicherheitsgesetzes zu protestieren. Am 9. Juli soll er vom Legislative Council, dem Parlament Hongkongs, verabschiedet werden. Die Bürger fürchten eine Einschränkung ihrer Rechte und der Medienfreiheit.

Trotz mehrfacher Korrekturen der ursprünglichen Version konnten bislang in der Öffentlichkeit Hongkongs und bei ausländischen Beobachtern die Zweifel daran nicht ausgeräumt werden, dass der zu verabschiedende Artikel 23 eine Einmischung Pekings in Hongkongs Grundrechte bedeutet - und weitere Einmischungen dieser Art gesetzlich sanktionieren wird. Besorgnis erregte in diesem Zusammenhang die Äußerung eines Funktionärs des Pekinger Verbindungsbüros in Hongkong: Er erklärte öffentlich, die jetzige Version des Artikels 23 sei zu liberal, entspreche nicht mehr den ursprünglichen Intentionen Pekings und sei daher ungeeignet, um Hongkong unter Kontrolle zu halten.

Hoffnung auf echte Demokratie zerschlagen

Die Briten gaben Hongkong zurück als eine Stadt, die unter der Kolonialherrschaft reich geworden war. Doch bis zum letzten Moment vor Rückgabe der Stadt gab es Streit zwischen Peking und London. Der kommunistischen Führung in Peking missfiel, dass Großbritannien zwei Jahre vor Ende der Kolonialherrschaft noch schnell demokratische Reformen in Hongkong eingeleitet und ein Parlament gegründet hatte.

Mit der Machtübergabe setzte China das neue Parlament sofort wieder außer Kraft und installierte stattdessen einen 800-köpfigen Legislativrat von eigenen Gnaden. Der Regierungschef wird von einem Gremium ernannt, dessen Mitglieder von China handverlesen sind. Zudem trat 2002 ein Gesetz in Kraft, nach dem die Minister nicht mehr durch die Legislative bestätigt werden müssen – weder der weithin unpopuläre Regierungschef Tung Chee-Hwa noch seine Minister.

Direktwahlen als Zankapfel

Bevor der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao am 1. Juli 2003 nach Hongkong reiste, hofften die demokratischen Kräfte, mit ihm über die Bewahrung der Demokratie in Hongkong sprechen zu können. Doch dazu kam es nicht. In internen Diskussionen der Demokraten hatte man zuvor sogar die Weltläufigkeit und Aufgeschlossenheit Hu Jintaos und Wen Jiabaos positiv aufgenommen. Sie wurde im Vergleich zum konservativen Stil des Hongkonger Regierungschefs Tung Chi-hwa als wohltuend empfunden. Denn Tung hatte schon zuvor sämtliche Vorschläge zur Sicherung und zum Ausbau der Demokratie in der südchinesischen Metropole abgelehnt.

Die zentrale Frage ist, ob die Bürger Hongkongs im Jahre 2007 das Parlament und den Regierungschef direkt wählen dürfen. Bislang garantiert ein kompliziertes Wahl- und Ernennungssystem, dass im Legislativrat stets Peking-freundliche Kräfte die Oberhand behalten. Obwohl das Grundgesetz der Metropole Direktwahlen vorschreibt, hat es Peking bislang abgelehnt, mit der Hongkonger Demokratiebewegung darüber zu sprechen. Dies gilt nicht nur für den gerade beendeten Besuch Wen Jiabaos, sondern auch für die Zeit danach. Aus Kreisen der Demokraten wurde mitgeteilt, ein von Peking entsandter Funktionär habe erklärt, China sei kategorisch gegen die Direktwahlen in vier Jahren.

Zuckerbrot und Peitsche

Peking verfolgt gegenüber Hongkong eine Doppelstrategie, um seine Interessen durchzusetzen. Auf der einen Seite gibt es das Zuckerbrot in Form der Freihandelsvereinbarung, die der Wirtschaft Hongkongs zu einer engeren Verflechtung mit der VR China und damit zu mehr Profiten verhelfen soll. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hat vor kurzem einen Vertrag zur engeren wirtschaftlichen Integration Hongkongs in die VR China unterzeichnet. Die Kehrseite der Medaille ist der Druck auf die Stadtregierung, schnell das Nationale Sicherheitsgesetz mit dem umstrittenen Artikel 23 zu verabschieden - trotz massiver Proteste in Hongkong.

Die Freihandelsvereinbarung sieht vor, dass Hongkonger Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, eine Reihe von Vergünstigungen in der VR China erhalten - einschließlich der Absenkung der Einfuhrsteuer auf Null. Allerdings wurde dies von ausländischen Unternehmen in Hongkong mit großer Vorsicht beurteilt. Zumal Neuankömmlinge, die von Hongkong aus in der VR China investieren wollen, diese Vergünstigungen nicht genießen können. Ob diese Maßnahmen wirklich die Attraktivität des Standortes Hongkong für ausländische Investoren verbessern werden, ist aus Sicht der in Hongkong vertretenen Auslandshandelskammern die entscheidende Frage.