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Anfang vom Ende für Mugabe?

Gwendolin Hilse6. Juli 2016

Die Forderungen nach einem politischen Wandel in Simbabwe werden immer lauter. Seit Wochen ist die Regierung mit Protesten konfrontiert, wie es sie noch nie gab. Kommt nach 29 Jahren das Aus für das Mugabe-Regime?

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Protest-Plakate gegen Mugabe (Foto: Getty Images/AFP/J. Njikizana)
Bild: Getty Images/AFP/J. Njikizana

Harare steht still: Die Straßen in Simbabwes Hauptstadt sind menschenleer, Krankenhäuser, Schulen, Banken und Läden geschlossen. Während die meisten Einwohner Harares und der zweitgrößten Stadt Bulawayo zuhause zu bleiben, gibt es in den sozialen Netzwerken Berichte über Ausschreitungen, brennende Straßenbarrikaden und die kurzzeitige Verhaftung von vier Journalisten. Die Polizei soll Warnschüsse abgefeuert haben und mit Tränengas gegen Demonstranten vorgegangen sein, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet.

Zeitweise waren Telefonleitungen und soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Whatsapp lahmgelegt. Aktivisten fanden dennoch Wege, über Proxy-Server Bilder und Tweets von Polizeigewalt zu verbreiten. Die Simbabwer folgten dem Aufruf der Twitter-Kampagne #ThisFlag und #ShutDownZimbabwe2016, das Land stillzulegen. Sie demonstrieren gegen das Regime von Präsident Robert Mugabe, der sich seit 1987 an der Macht hält, und seiner Partei "Afrikanische Nationalunion von Simbabwe - Patriotische Front" (ZANU-PF).

Viraler Hashtag hinter landesweiten Protesten

"Seht euch diese Flagge an: Sie sagen, das Grün stehe für die reiche Vegetation - doch ich sehe keine Ernteerträge in meinem Land. Das Gelb steht für den Ressourcenreichtum: Gold, Diamanten, Platin und Chrom. Aber ich weiß nicht, wie viel davon noch übrig ist, an wen sie es verkauft haben und wie viel sie dafür bekommen haben."

Eingehüllt in die simbabwische Flagge drückt Pastor Evan Mawarire am 20. April seine Frustration über die Regierung auf Youtube aus. Das Amateurvideo verbreitete sich innerhalb weniger Tage viral in den sozialen Netzwerken. Mehr als 14.000 Menschen folgen Mawarire und seiner Twitter-Kampagne #ThisFlag. Seitdem lehnen sich immer mehr Menschen gegen das autokratische Regime auf.

Schläge, Verhaftungen, Entführungen - der 92-jährige Präsident ist bekannt dafür, harsch gegen Kritiker und Oppositionelle vorzugehen. Organisationen wie Amnesty International werfen Mugabe immer wieder Verstöße gegen die Menschenrechte vor. "Die Menschen haben schon lange genug von dem Regime", sagt Mawarire im DW-Interview. Die Zustimmung in den sozialen Netzwerken sei enorm: "Erstmals haben Simbabwer den Mut, sich gegen das Regime aufzulehnen."

Interview: Activist calls for 'Zimbabwe shut-down'

Layla Al-Zubaidi spricht von historischen Protesten: "Es ist auf jeden Fall eine kleine Revolte, die hier stattfindet und wird auf jeden Fall wegweisend sein, denn so etwas hat die regierende Partei bisher noch nicht gesehen", sagt die Regionaldirektorin für das südliche Afrika der Heinrich-Böll-Stiftung im DW-Gespräch. Eine hohe Arbeitslosigkeit, besonders unter Simbabwes Jugend, ein marodes Gesundheitssystem und leere Staatskassen treiben die Menschen auf die Straßen.

Verstärkt wird der Unmut der Bevölkerung durch die bestehende Nahrungsmittelknappheit. Das Wetterphänomen El Niño sorgt auch in Simbabwe für Dürren- fast jeder Dritte ist auf Lebensmittelhilfen angewiesen. "Die Regierung hat es mit 20 Jahren Missmanagement geschafft, dass das Land vollkommen am Boden liegt und die Wirtschaft völlig zerstört ist", sagt Al-Zubaidi.

Hyperinflation und leere Staatskassen

Seit Jahren steckt das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise. Experten sprechen von einer Hyperinflation. Um dieser Herr zu werden, hatte die Regierung ein System aus verschiedenen Währungen eingeführt. Nun ist der Simbabwe-Dollar so wertlos geworden, dass er abgeschafft wurde. Auch der US-Dollar wird immer knapper, dem Land gehen die Devisen aus, sagt die simbabwische Wirtschaftsexpertin Liesel Louw-Vaudran vom Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria: "Das Importverbot auf Güter aus Südafrika ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Regierung nicht will, dass Gelder aus dem Land fließen."

Am Freitag kam es in diesem Zusammenhang zu gewaltsamen Ausschreitungen an der südafrikanischen Grenze, bei der ein Warenhaus der simbabwischen Steuerbehörde und einige Autos in Brand gesteckt wurden. 50 Menschen wurden verhaftet.

Doch die andauernden Proteste haben tiefgreifendere Gründe, sagt Layla Al-Zubaidi von der Heinrich-Böll-Stiftung. Am Montag fanden erstmals Straßenschlachten zwischen bewaffneten Polizeibeamten, Bus- und Taxifahrern statt, die gegen Straßenbarrikaden in der Innenstadt und neu erhobene Geldstraßen protestierten - weitere 30 Demonstranten wurden verhaftet.

Seit Dienstag sind nun Simbabwes Beamte, hauptsächlich Lehrer und Krankenpfleger im Streik, denn seit Mai wurden sie nicht mehr bezahlt. Arbeitsminister Supa Mandiwanzira versicherte Africanews, dass die Regierung für Verhandlungen mit der Gewerkschaft offen sei. Polizisten und Militär hätten bereits ihren Lohn für Juni erhalten. Die Bezahlung dieser Berufsgruppe habe sicher die höchste Priorität, sagt Al-Zubaidi: "Ansonsten hat man sehr verärgerte, bewaffnete Simbabwer und damit will sich die Regierung sicher nicht anlegen."

Polizei liefert sich Straßenschlacht mit Busfahrern (Foto: AFP/J. Njikizana)
Straßenschlachten zwischen Polizei und Busfahrern in Harares StraßenBild: Getty Images/AFP/J. Njikizana

Regierung steht vor Mammutaufgabe

Aktuell befindet sich Simbabwe in Verhandlungen mit dem internationalen Währungsfonds (IMF), der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), um mit weiteren Krediten der aktuellen Wirtschaftskrise ein Ende zu setzen. Doch die rettende Finanzspritze gibt es nur, wenn das Land bestimmten Forderungen nachkommt.

"Die beziehen sich nicht auf Demokratie und Menschenrechte, sondern auf mehr Transparenz im Finanzbereich, Wirtschaftprüfungen in öffentlichen Institutionen und einen funktionierenden Bankensektor", erläutert Al-Zubaidi. Dem könne die Regierung nicht nachkommen, ohne sich selbst zu schwächen: "Dann werden sie nämlich die ganze Korruption und Patronage, die sie aufrechterhalten, nicht mehr weiterführen können."

Die Opposition unter der Führung von Morgan Tsvangirai sieht bereits das Ende Mugabes kommen: "Wir sind uns sicher, dass das Regime [im Wahljahr, Red.] 2018 fallen wird", sagt der Generalsekretär der "Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC) der Daily News.

"Sollte die Opposition sich die Proteste zunutze machen können, wird die Regierungspartei geschwächt in die Wahlen gehen", vermutet Layla Al-Zubaidi. Auch sie glaubt an einen politischen Wandel - ob durch Proteste oder das Ableben des 92-jährigen Autokraten, in dessen Partei jetzt schon der Kampf um seine Nachfolge entbrannt ist.

Mitarbeit: Chrispin Mwakideu, Mark Caldwell