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#ProjektScholl: Künstlerischer Widerstand gegen Donald Trump

Rachel Stewart so
16. September 2017

Eine Plakataktion in Washington greift die "White Supremacy"-Bewegung, den Rassismus in den USA - und Donald Trump an. Ein mutiger Akt des Widerstands oder eine Ohrfeige für den US-Präsidenten?

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Projekt Scholl/Trump
Bild: Project Scholl

"Anders als im Zweiten Weltkrieg ist der Feind unter uns", sagt Robert Russel aus Los Angeles. Letzte Woche war eine Plakatserie des Künstlers auf Häuserwänden und Laternen auf den Straßen der US-Hauptstadt zu sehen. Aus der Distanz erinnerte sie an Propaganda-Plakate aus dem Zweiten Weltkrieg. Aber bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass nicht Adolf Hitler mit heruntergelassener Hose darauf zu sehen ist wie in Postern aus den 1930ern Jahren, sondern Donald Trump mit einer Boxershorts voller Hakenkreuze. "Seine wirkliche Gesinnung kommt jetzt zum Vorschein."

"Ich sage nicht, dass er Adolf Hitler ist", meint Russel. "Aber Trump ist sicher den Nazis nahe, sonst würde er nicht erlauben, dass Menschen mit Hakenkreuzen in Charlottesville demonstrieren gehen."

Russel bezieht sich auf eine Kundgebung von Extremisten, die im August in Charlottesville, Virginia, stattfand. In den Straßen der Universitätsstadt stießen Rechtsextreme auf Gegendemonstranten. Eine 32-jährige Frau wurde getötet und 19 Menschen wurden verletzt, als ein Auto vorsätzlich in eine Menge Fußgänger raste. Am Steuer saß ein Mitglied der "Unite the Right"-Bewegung.

Drei Plakate von Russel in Washington
Drei Plakate von Russel in WashingtonBild: Project Scholl

US-Präsident Trump verurteilte die Gewalt, verurteilte jedoch nicht dezidiert Rassismus und Neo-Nazi-Vereinigungen. Das hat ihm viel Kritik eingebracht, und Russel war einer derjenigen, die sich nicht mit seiner Reaktion abfinden wollte. "In den 1930er Jahren führte solche eine Haltung zu dem, was wir alle kennen", sagt er.

Die richtige Seite der Geschichte

Russels Plakate tauchten in den Straßen von Washington auf, als die Politiker aus der Sommerpause zurückkehrten. Arianna Jones, die die Idee für die Kampagne hatte, wollte damit die US-amerikanischen Abgeordneten "auf die richtige Seite der Geschichte manövrieren". "Extremismus ist nur möglich geworden, weil man ihn als etwas Normales akzeptiert hat", sagt Jones. "Wenn eine 20-jährige Frau unter Androhung der Guillotine ausspricht, was sie für richtig hält, dann ist das das Geringste, was wir gegenüber einer Gruppe alter weißer Männer tun können, die es sich in ihren Villen auf dem Kapitol-Hügel bequem gemacht haben."

Arianna Jones spielt auf das Schicksal von Sophie Scholl an, der deutschen Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Aufgrund ihres Engagements in der Gruppe "Weiße Rose" wurde sie 1943 von den Nazis in München hingerichtet. In Erinnerung an ihren Kampf nennen Jones und Russel ihre Plakatsammlung "Das Sophie Scholl Projekt".

Scholl und ihr Bruder Hans druckten und verteilten Anti-Nazi Flugblätter im Namen der pazifistischen Studentengruppe "Weiße Rose". "Wir werden nicht still sein", stand auf einem Flugblatt. "Wir sind Euer schlechtes Gewissen. Die Weiße Rose wird Euch nicht in Ruhe lassen!", heißt es auf einem anderen.

"Kein Platz für Rassisten", steht auf einem Poster
"Kein Platz für Rassisten", steht auf einem PosterBild: Project Scholl/Movement Media

Am 18. Februar 1943 wurde Sophie Scholl bei einer Flugblattaktion in der Münchner Universität entdeckt. Es war ein mutiger Protest, der sie und ihren Bruder das Leben kostete. Kurz danach wurden die beiden von der Deutschen Geheimpolizei hingerichtet.

Klartext sprechen mit den Mächtigen

In Deutschland ist Sophie Scholl für viele Menschen eine Identifikationsfigur. Jedes deutsche Schulkind kennt ihren Namen. Straßen, Parks und Gebäude tragen den Namen der Widerstandskämpferin. Aber wie sieht es jenseits des Atlantiks aus?

"Jetzt berufen sich verschiedene Protestorganisationen in den USA auf die Weiße Rose und besonders auf Sophie Scholl als Symbol des Widerstands", sagt der Historiker Jud Newborn, Co-Autor des Buchs "Sophie Scholl und die Weiße Rose".

"Erst in den letzten Jahren und vor allem nach der Wahl von Donald Trump und seiner rechtsgerichteten Politik haben die Amerikaner Sophie Scholl als Symbolfigur entdeckt," fügt er hinzu.

Newborn glaubt, dass Trumps Unterstützung der "Alt-Right"-Gruppen bei vielen progressiven Linken die Notwendigkeit zu handeln geweckt hat. Für sie wurde die Weiße Rose zur Inspirationsquelle.

"Weniger gefährlich als sorglose Tweets", Plakat vom Projekt Scholl
"Weniger gefährlich als sorglose Tweets", heißt ein Slogan Bild: Project Scholl

"Unter Bedingungen, die weitaus gravierender waren als die heutigen in den USA, tat die Weiße Rose etwas Essentielles, das Mut erfordert: den Mächtigen die Wahrheit sagen. Und zwar früh genug, um zu versuchen, gefährliche Entwicklungen im Keim zu ersticken."

"Eine Verunglimpfung Trumps"

Auch wenn sich der Holocaust-Forscher gegen "saloppe Vergleiche" zwischen Nazi-Deutschland und der aktuellen Situation in den USA wehrt, hat er keine Bedenken gegenüber Russels Plakaten.

"Der Künstler arbeitet mit leicht provokativer, unterhaltsamer Kunst, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, denen wir in den USA derzeit begegnen", sagt Newborn. "Es ist nicht so viel anders als das politische Theater, das Sophie und Hans Scholl in Germany veranstalteten."

Nicht jeder teilt diese Meinung. Rabbi Marvin Hier, der zur Amtseinweihung von Donald Trump eine Rede hielt, nennt das Kunstprojekt "empörend".

"Trump hat in meinen Augen einige Fehler gemacht", sagt er. "Aber ihn mit den Nazis zu vergleichen, ist übertrieben, absurd und falsch."

"Kenne Deinen Platz. Halt die Klappe", steht auf einem anderen Plakat
"Kenne Deinen Platz. Halt die Klappe", steht auf einem anderen PlakatBild: DW/S. Stewart

"Wir leben in einem freien Land. Jeder darf den Präsidenten kritisieren, jeder darf jeden kritisieren. Das hier ist Amerika. Aber um den Präsident der Vereinigten Staaten mit Nazi-Symbolen zu kritisieren, findet nicht meine Sympathie. Für die Juden bedeutete das Hakenkreuz das Krematorium", sagt Rabbi Hier.

Russel, der selber Jude ist, sieht einen Reiz in der Verwendung von Nazi-Symbolen bei seiner Poster-Aktion. Er hat das Gefühl, dass es an der Zeit für ihn ist, sich von seinem Kunstalltag abzukehren, um etwas "Direkteres" zu tun. Dabei inspiriert ihn besonders die Geschichte von Sophie Scholl.

"Ich wünsche mir, dass ich, wenn ich zu dieser Zeit gelebt hätte, mein Schicksal nicht passiv ertragen hätte", sagt er. "Ich wünsche mir, dass ich mich gewehrt hätte."