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Prof. Günter M. Ziegler, Mathematiker, Technische Universität Berlin

2. Januar 2009

Günther Ziegler ist Präsident der Mathematikervereinigung und Professor an der Technischen Universität in Berlin, wo ja auch Julia Ruscher studiert.

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Bild: DW-TV

DW-TV: Herr Ziegler, was muss man haben oder sein, um ein wirklich guter, ein außergewöhnlicher Mathematiker zu werden?

Günter Ziegler: Ich glaube, man muss außergewöhnlich neugierig sein, man muss Spaß haben am Knobeln, man muss dann auch durchhalten können. Mathe ist ein schwieriges Fach. Also gehört es schon dazu, dass man sich anstrengt, das will und das kann.

DW-TV: Haben Sie eigentlich viele Frauen in Ihrem Studiengang ?

Günter Ziegler: Ja, knapp die Hälfte unter den Anfängern. Also die Frauen sind da. Das war früher nicht so.

DW-TV: Ja, da hat sich viel geändert. Für viele von uns ist Mathematik mit dem verbunden was man hier so ein bisschen sieht. Das ist ein historisches Schulzimmer. Trotzdem haben viele von uns so Mathematik gebüffelt. Eher spaß-los. Was hat sich denn da verändert ?

Günter Ziegler: Also, ich hoffe, dass sich da was verändert hat. Dass da jetzt sehr viel mehr Spaß dabei ist, dass da eben mehr gespielt wird. Das kann man eigentlich auch in so einem historischen Zimmer machen. Also auch schon die Rechensteine, die da rumliegen. Also Mathe ist Knobeln, Mathe ist Spielen. Hilfsmittel helfen da und ne große Bühne hilft und was weiß ich, aber eigentlich kann man sich mit Mathematik auch selbst beschäftigen.

DW-TV: Wir haben ja auch vorhin die Kinder gesehen, wie sie gespielt haben mit bunten Formen. Früher war das alles ein bisschen grau und dunkel. Das hier zum Beispiel ist die älteste Rechenmaschine, die es so gibt. Das hier ist ein Abacus. Heute haben wir Handys mit denen man nicht wirklich rechnen kann aber es ist viel Technik drin. Wir haben Computer, Hochleistungscomputer. Warum müssen wir uns überhaupt noch mit Rechenlernen quälen.

Günter Ziegler: Ich glaube, Mathe lernen heißt ja, einfach Dinge in den Griff kriegen und d.h. heißt unter anderem muss man mit Zahlen spielen, Zahlen in den Griff kriegen. Man muss einfach auch lernen, wie man mit denen umgeht. So mit richtig großen Zahlen, mit Millionen von Stellen, kann natürlich nur ein Computer umgehen. Aber wenn wir nicht selber kapieren und kapieren heißt, selber machen, wie man mit Zahlen spielen kann, addieren, multiplizieren usw., dann kann man’s am Ende auch nicht dem Computer beibringen.

DW-TV: Also die Größenverhältnisse müssen wir sozusagen im Kopf haben.

Günter Ziegler: Ja.

DW-TV: Sie sind einer der Väter des Jahres der Mathematik. Was hat’s gebracht ?

Günter Ziegler: Ich glaube, es hat ne ganze Menge von Begeisterung geweckt, es hat auch ein vielfältigeres Bild von Mathematik in die Öffentlichkeit transportiert. Vielleicht ist klar geworden dabei, dass Mathematik auch Kunst ist, dass Mathematik in der Musik drin steckt, dass Mathematik was zum Knobeln ist, dass Mathematik Hochtechnologie ist, Mathematik wahnsinnig wichtig ist, in ganz unterschiedlichen Anwendungen, also vielfältig und nicht mehr nur dieses Abacus und Zahlenrechnen.

DW-TV: Günther Ziegler, jetzt ist die Kugel schon wieder auf rot gegangen. Eigentlich müsste doch jetzt mal die andere Farbe, schwarz, ran kommen ?

28.12.2008 DW-TV PROJEKT ZUKUNFT gespraech 1
Bild: DW-TV

Günther Ziegler: Irgendwann kommt die auch ganz sicher ran aber beim nächsten Mal ist die Wahrscheinlichkeit für rot genau gleich wie die für schwarz.

DW-TV: Ist denn Glück berechenbar ?

Günther Ziegler: Also, Glück ist nicht berechenbar. Wir können Wahrscheinlichkeiten berechnen, aber Vorhersagen beim Roulette gibt’s eben nicht. Genau deswegen bleibt es ja auch spannend

DW-TV: Das ist der berühmteste Zufallsgenerator der Mathematik, den es überhaupt gibt. Wenn Sie als Mathematiker spielen gehen, können Sie mehr gewinnen als ich?

Günther Ziegler: Nein, beim Roulette nicht. Beim Roulette sind es feste und faire Wahrscheinlichkeiten. Da haben Sie und ich und jeder andere genau die selben Chancen. Am Ende gewinnt natürlich, wie immer, nur das Casino.

DW-TV: Würden Sie denn sagen, die Mathematik haben wir Menschen erfunden, um die Phänomene der Welt zu erklären oder ist die Mathematik das, wonach sich die Welt richtet ?

Günther Ziegler: Also Eugene Wigner, ein amerikanischer Nobelpreisträger, hat in den 60er Jahren gesprochen von der unerklärlichen Effektivität der Mathematik in den Naturwissenschaften. Das ist also wirklich bemerkenswert, wie man etwa mit der Einstein’schen Gravitätstheorie wirklich die Welt beschreiben kann und es zeigt uns, dass da ist wirklich was drin, was sozusagen die Welt erklärt. Da ist Mathematik nicht was künstlich Erfundenes, sondern es ist wirklich ein Teil der Welt.

DW-TV: Würden Sie denn sagen, alles ist berechenbar oder gibt’s da Grenzen?

Günther Ziegler: Nein, es ist nicht alles berechenbar. Wir können fast alles mit Mathematik beschreiben. Wir können den Zufall beschreiben, wir können Börsenkurse beschreiben aber Vorausberechnen geht eben bei vielen Sachen nicht.

DW-TV: Trotzdem ist eins und eins immer zwei. Ist das nicht manchmal auch frustrierend für einen Mathematiker ?

Günther Ziegler: Das kann manchmal frustrierend sein aber genau diese Sicherheit, dass Sachen wirklich stimmen, also auch diese Gnadenlosigkeit ob jetzt was richtig ist oder falsch, dass man klare Regeln hat im Spiel, das ist eben Mathematik und das ist auch das Spannende daran.

DW-TV: Kann denn Mathematik überhaupt noch Neuland beschreiten oder ist eigentlich alles schon erklärt und es kann nur noch verbessert beschrieben werden ?

Günther Ziegler: Nein, es ist bei weitem nicht alles erklärt. Also auch die nächsten Jahre, die großen Rätsel über Primzahlen und die Verteilung der Primzahlen sind eben nicht gelöst und es gibt Bereiche, wie etwa die Biologie, wo diese Effektivität der Mathematik bisher sich noch nicht so gezeigt hat und wo hart gearbeitet wird, um eben mathematische Biologie zum großen Erfolg zu machen.

DW-TV: Kurz noch mal zu den Primzahlen. Es hat jetzt jemand eine Primzahl entdeckt, die hat mehr als zehn Millionen Stellen. Was bringt uns das ?

Günther Ziegler: Also, erstens ist das ein großes Spiel und ein Rekord und es gibt einen Preis. Aber das zeigt uns auch, was Mathematik kann. Das ist ein Zeichen der Leistungsfähigkeit, das führt zur Entwicklung von neuen Algorithmen, um Zahlen auf Primzahleigenschaft zu testen und es führt auch dazu, dass wir die Computer dabei testen. Das heißt es hat sogar noch praktische Anwendung.

DW-TV: Günther Ziegler, ganz ganz herzlichen Dank hier für ihren Besuch, dass Sie zu uns hier in die Ausstellung gekommen sind

Günther Ziegler: Gerne.