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Problemlösung auf philippinische Art

Ronald Meinardus, Manila26. Juli 2005

Seit zwei Monaten steht die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo unter Dauerbeschuss. Die Vorwürfe: Korruption und Wahlbetrug. Um da unbescholten herauszukommen, hat Frau Arroyo einen radikalen Plan.

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Angriff ist die beste Verteidigung: Gloria Macapagal ArroyoBild: AP

Die Zeit sei reif für die große Verfassungsdiskussion, sagte Frau Arroyo am 25. Juli anlässlich der Eröffnung des Parlamentes in Manila - und erntete dafür rauschenden Applaus der Volksvertreter. Das Amtsenthebungsverfahren, das eine Gruppe oppositioneller Parlamentarier nur wenige Stunden zuvor gegen sie eingeleitet hatte, erwähnte sie mit keiner Silbe.

Genialer Trick

Für das politische Überleben der Präsidentin - und um nichts anderes geht es Frau Arroyo derzeit in der schwersten Krise ihrer vierjährigen Amtszeit - ist die Verfassungsdiskussion ein genialer Schachzug. Ungeachtet der tiefsitzenden und nicht überbrückbaren Differenzen in Bezug auf die aktuelle Regierung und ihre Leitung sind sich alle maßgeblichen politischen Kräfte der Philippinen in einem Punkt einig: Das Land braucht eine neue Verfassung.

Philippinen Präsident Gloria Macapagal Arroyo Demonstration
Proteste gegen die PräsidentinBild: AP

Neuartig und politisch bedeutsam sind die plötzliche Eile und die auf den Philippinen bislang nicht gekannte Einigkeit zwischen einer Mehrheit im Parlament und der Präsidentin. Umweltminister Mike Defensor, ein enger Vertrauter der Präsidentin, sieht einen Zusammenhang zwischen der politischen Krise und der Verfassungsdebatte. "Die Verfassung sollte so schnell wie möglich geändert werden angesichts der Stimmung in der Bevölkerung", sagte er.

Förderalismus oder Präsidial-System?

Neben dem Wechsel vom gegenwärtigen Präsidial-System zu einer parlamentarischen Regierungsform, bei der die wesentliche Macht in der Volksvertretung liegt, sehen die Pläne der Präsidentin eine Abkehr vom Zentralismus und eine Hinwendung zum Föderalismus vor. "Der wirtschaftliche Fortschritt und die soziale Stabilität der Provinzen sowie die wachsende Selbstversorgung in Bezug auf die politischen Entwicklungen und die öffentlichen Dienste sind zwingende Argumente für den Föderalismus", kündigte die Präsidentin zur Parlamentseröffnung an.

Die Anhänger des Föderalismus argumentieren, dass eine weitreichende Dezentralisierung den politischen Gegebenheiten der Philippinen - einem Land mit 7000 Inseln und Dutzenden von sprachlichen wie ethnischen Volksgruppen - eher gerecht werde als der bestehende Zentralismus. Die Föderalismus-Diskussion wird auch Einfluss auf die Verhandlungen der philippinischen Regierung mit den Moslem-Rebellen im Süden des Archipels haben. Seit 30 Jahren tobt dort ein blutiger Bürgerkrieg.

Wer soll die Verfassung verfassen?

Während eine weitreichende - und parteienübergreifende - Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit einer Verfassungsreform sichtbar wird, besteht wenig Konsens über das Verfahren. Einige Politiker plädieren für die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung, die als einzige Aufgabe die Formulierung eines neuen philippinischen Grundgesetzes hätte. Andere Politiker wünschen, dass sich das aktuelle Parlament die Kompetenz zur Umformulierung der Verfassung erteilt. Auf diese Weise könnten Zeit und Geld gespart werden. Auch Präsidentin Arroyo vertritt diese These.

Druck auf Arroyo hat nachgelassen

Wie auch immer der Streit um die politische Vorgehensweise ausgehen wird - eines steht schon jetzt fest: Die Diskussionen über die neue Verfassung haben dazu geführt, dass der öffentliche Druck auf die Präsidentin nachgelassen hat. Frau Arroyo ist ein kalkuliertes Risiko eingegangen. Sie konnte ihre Gegner vorerst zähmen, am Ende des politischen Prozesses steht aber womöglich eine parlamentarische Verfassung, in der für Frau Arroyo als Präsidentin gar kein Platz mehr ist. Das wäre dann eine "asiatische Lösung" der philippinischen Krise: Alle Seiten könnten ihr Gesicht wahren.