1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Probleme für deutsche Unternehmen mit britischer Rechtsform

4. Juli 2016

Für knapp 9000 deutsche Unternehmen könnte ein Austritt Großbritanniens aus der EU juristisch kompliziert werden. Sie haben nämlich eine Gesellschaftsform nach britischem Recht gewählt.

https://p.dw.com/p/1JIVf
Flagge von Großbritannien an der Siegessäule in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Ein Brexit könnte das europäische Gesellschaftsrecht durcheinander bringen. Treffen würde ein EU-Austritt Großbritanniens vor allem deutsche Unternehmen, die nach britischem Recht als "Limited" (Ltd) oder "Public Limited Company" (PLC) gegründet wurden - wie etwa die Holdings der Drogeriekette Müller oder der Fluggesellschaft Air Berlin.

Eine "Limited" ist eine Kapitalgesellschaft nach britischem Recht. Ihre Gesellschafter haften nicht persönlich, ähnlich wie bei der deutschen GmbH. Attraktiv ist das britische Modell gewesen, weil die Gesellschafter bei der Gründung quasi kein Stammkapital aufbringen müssen. Anders, wenn man in Deutschland eine GmbH gründet. Dann muss man mindestens 25.000 Euro haben. Seit 2008 kann man allerdings auch hierzulande mit einem Euro Stammkapital eine Unternehmergesellschaft gründen.

Air Berlin Maschinen
Die Fluggesellschaft Air Berlin wurde nach britischer Rechtsform gegründetBild: picture-alliance/dpa/S. Kembowski

Nach einem Brexit würde die britische Rechtsform aber nicht mehr ohne weiteres anerkannt, sagt die Bayreuther Gesellschaftsrechtlerin Jessica Schmidt. Innerhalb der EU können sich Unternehmen ein Gesellschaftsrecht aussuchen. Die Niederlassungsfreiheit garantiert, dass Unternehmen in allen Mitgliedstaaten Vertretungen gründen dürfen. Der EU-Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass eine nach britischem Recht gegründete Gesellschaft auch in Deutschland anerkannt werden muss. Für das Unternehmen gelten also die gesellschaftsrechtlichen Regeln Großbritanniens, auch wenn es seinen Sitz in Berlin oder Ulm hat. Unklar ist, was passiert, wenn die Briten aus der EU austreten.

Keine Anerkennung nach einem Brexit?

"Wenn es Großbritannien in den Verhandlungen über einen Austritt nicht gelingt, die Niederlassungsfreiheit beizubehalten, wäre das ein Riesenproblem für die fast 10.000 Limiteds in Deutschland", erklärt die Expertin. Ohne diese Anerkennung würden die Unternehmen aber wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft behandelt. Die strengeren Vorgaben für eine GmbH erfüllen sie nicht.

Das hieße: Die Gesellschafter müssten persönlich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Um dem zu entgehen, müssten sie sich etwa zur GmbH wandeln. Das aber sei kompliziert und teuer, so Schmidt. In Großbritannien würden die Unternehmen außerdem weiter nach dortigem Recht behandelt - eine "Zwitterstellung", die in der Praxis sehr schwierig zu handhaben wäre, glaubt die Expertin.

Sonderrechte verhandeln

Allerdings könnte Großbritannien auch aushandeln, dass die Niederlassungsfreiheit weiter gilt. Ohne dieses Recht kämen nämlich auch auf britische Unternehmen erhebliche Hürden zu, erklärt die Jura-Professorin - etwa wenn sie in Deutschland Tochtergesellschaften gründen oder mit einer deutschen Gesellschaft verschmelzen wollen.

Daneben gibt es die "norwegische Lösung": Großbritannien bleibt Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Das ist eine vertiefte Freihandelszone zwischen der EU und Island, Liechtenstein sowie Norwegen, innerhalb der ebenfalls die Niederlassungsfreiheit gilt. Denkbar wäre Schmidt zufolge auch ein Staatsvertrag, der britischen Gesellschaften die Niederlassungsfreiheit gewährt. Ein derartiger Vertrag besteht etwa zwischen Deutschland und den USA.

iw/ul (dpa)