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Pro: Eine Direktwahl wäre zeitgemäßer und gut für die Demokratie

15. Mai 2009

60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik und 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sollten die Selbstzweifel ausgeräumt sein, die einst gegen eine Direktwahl des Bundespräsidenten sprachen, meint Bettina Marx.

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Bild: DW

Der Bundespräsident ist der höchste Vertreter des Deutschen Staates, der oberste Repräsentant der Deutschen und das Sinnbild der deutschen Demokratie. Und doch ist das Volk von seiner Wahl praktisch ausgeschlossen. Nur sehr mittelbar sind die Bundesbürger über die Bundesversammlung an der Präsidentenwahl beteiligt.

Mit diesem Verfahren wollten die Väter des Grundgesetzes der eingeschränkten politischen Bedeutung des Bundespräsidenten Rechnung tragen. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und in Erinnerung an die bitteren Erfahrungen der untergegangenen Weimarer Republik wollten sie verhindern, dass um das Amt des Staatsoberhaupts ein populistischer Kampf entbrennt und dass das Amt politisiert wird.

60 Jahre sind vergangen

Im Jahr 1949 waren das richtige und wichtige Überlegungen, mit denen die Lehren aus der verhängnisvollen deutschen Geschichte gezogen werden sollten: Sie sollten die junge Bundesrepublik stabilisieren und die Nachkriegsdemokratie gegen innere Anfeindungen schützen.

Gleichzeitig sollte damit auch dem mit Recht misstrauischen Ausland signalisiert werden, dass der neue deutsche Rechtsstaat diese Zweifel versteht und seine Verpflichtung zur Selbstbescheidung nach der Katastrophe der Hitler-Jahre ernst nimmt.

Doch inzwischen sind 60 Jahre vergangen. 60 Jahre, in denen die Bundesrepublik Deutschland als Hort der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilität gelten konnte. 60 Jahre, in denen die Deutschen ihren Platz in der Völkergemeinschaft wieder eingenommen haben - im Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Geschichte und für die Zukunft des europäischen Kontinents.

60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik und 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sollten daher die Selbstzweifel ausgeräumt sein. Jetzt wäre es an der Zeit, neue Antworten zu finden und Mut zu Reformen aufzubringen.

Warum eigentlich nicht?

In anderen Bereichen sind die Schranken längst gefallen, die sich die Bundesrepublik in ihren Anfangsjahren selbst auferlegt hatte. So beteiligen sich deutsche Soldaten inzwischen an Auslands- und sogar an Kampfeinsätzen. Das Grundrecht auf Asyl, das den Verfassungsvätern so wichtig war, wurde praktisch gestrichen und der Bundesinnenminister würde gern ein weiteres Tabu brechen, das die deutsche Geschichte der Bundesrepublik auferlegt hat und die Bundeswehr auch im Inneren einsetzen.

Grundlegende Freiheiten, die die Bürger vor ihrem Staat schützen sollten, wurden beschnitten: der große Lauschangriff, die Videoüberwachung, die Datenvorratsspeicherung. Das alles waren Reformen, die ohne große Schwierigkeiten aber oft gegen den Willen der Bürger durchgesetzt wurden. Nur wenn es um mehr direkte Demokratie geht, tut sich die deutsche Politik noch immer schwer.

Warum aber sollen die Bundesbürger nicht selbst bestimmen, wer ihr oberster Repräsentant sein soll? Eine Direktwahl allein würde dem Bundespräsidenten keine neuen Kompetenzen zubilligen. Sie würde aber dafür sorgen, dass die Bürger sich wieder mehr ihrem Staat verbunden fühlen und das höchste Staatsamt nicht zwischen den Parteien ausgekungelt wird. Eine Direktwahl würde vielleicht auch dafür sorgen, dass der 23. Mai für die Deutschen nicht nur der letzte Spieltag der Bundesliga ist, sondern der Tag, an dem sie selbst entscheiden dürfen, wer sie in den nächsten fünf Jahren repräsentieren soll.

Autor: Bettina Marx

Redaktion: Kay-Alexander Scholz