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Prestigeprojekt auf dem Rücken der Einheimischen

Xiegong Fischer1. Februar 2013

Am Omo-Fluss in Äthiopien wiederholt sich ein schon bekanntes Drama: Ein gigantisches Wasserbauprojekt wird ohne Rücksicht auf Umwelt und Bevölkerung durchgezogen. Mit dabei: Geld aus China.

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Staudammprojekt Gibe III am Omo-Fluss. (Foto:AFP)
Staudammprojekt Gibe III am Omo-FlussBild: JENNY VAUGHAN/AFP/GettyImages

Rund 6400 Quadratkilometer groß ist der Turkana-See in Äthiopien, fast doppelt so groß wie der deutsche Bodensee - noch. Denn der größte Wüstensee der Welt an der Grenze von Kenia und Äthiopien droht zu schrumpfen: 600 Kilometer stromaufwärts am wichtigsten Zustrom des Turkana-Sees, dem Omo-Fluss, wächst seit knapp sieben Jahren eine gigantische Staumauer empor. Der Damm soll der zweitgrößte Afrikas werden, nach dem Assuan-Staudamm am Nil im Süden Ägyptens. Das Wasserkraftprojekt "Gibe III" ist Teil des Omo-Ausbaus. Die ersten beiden Bauphasen sind bereits abgeschlossen, die Generatoren nun in Betrieb. Bei Fertigstellung von Gibe III hofft Äthiopien, doppelt so viel Strom erzeugen zu können wie heute. Die verfügbare Energie würde den Eigenbedarf übersteigen. Das ostafrikanische Land hofft auf Energieexporte als zukünftige Einnahmenquelle.

Lebensraum für eine halbe Million Menschen in Gefahr

Lokale und internationale Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen haben von Beginn an Bedenken geäußert. Sie fürchten katastrophale Auswirkungen des Projektes auf die Natur und den Lebensraum der indigenen Völker entlang des Omo-Flusses. Das Omo-Tal ist UNESCO-Welterbe, eines der kulturell vielfältigsten Gegenden der Welt und Heimat für rund 200,000 Menschen von acht indigenen Gruppen. "Ihre Lebensidentität ist mit dem Omo-Fluss und den natürlichen Regen- und Trockenperioden verbunden", berichtet "Survival International", Träger des Alternativen Nobelpreises und eine der wenigen Organisationen, die sich ausschließlich für den Schutz des Lebensraums indigener Völker einsetzt.

200.000 Menschen von acht indigenen Gruppen leben im Einzugsgebiet des Omo-Flusses. "Sie sind arm, aber sehr gut bewaffnet". (Foto: Survival International)
200.000 Menschen von acht indigenen Gruppen leben im Einzugsgebiet des Omo-Flusses. "Sie sind arm, aber sehr gut bewaffnet"Bild: Survival International

Kritiker fürchten, dass das einzigartige Ökosystem am Omo-Fluss und um den Turkana-See zerstört und die Ernährungssicherheit der Menschen dort gefährdet wird. Es wird davon ausgegangen, dass der Wasserstand bis zu 20 Meter fallen könnte. Der See würde versalzen. Menschen und Tiere würden ihre wichtigste Trinkwasserquelle verlieren. Auch der Fischfang würde leiden, der seit Jahrhunderten die Anwohner des Sees ernährt. Eine jüngst veröffentlichte Studie der Nichtregierungsorganisation "International Rivers" sieht die Beschneidung der natürlichen Ressourcen in einer Region, wo "die Menschen zwar bettelarm, aber extrem gut bewaffnet sind". Damit drohen kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen.

Omo-Flusstal gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe. (Foto: AFP)
Das Omo-Flusstal gehört zum UNESCO-WeltnaturerbeBild: JENNY VAUGHAN/AFP/GettyImages

Ambitionen um jeden Preis

Trotz der Kritik hält die äthiopische Regierung an den Plänen fest. Im August 2010 kündigte Premierminister Meles Zenawi an, das Projekt “um jeden Preis“ zu Ende zu bringen. Schätzungsweise wird Gibe III rund 1,5 Milliarden Euro kosten. Äthiopien, eines der ärmsten Länder der Welt, könnte ohne fremde Hilfe das Projekt unmöglich finanzieren. Die Finanzierung ist bis heute nicht ganz gesichert. Die Europäische Investmentionsbank und die Afrikanische Entwicklungsbank, bei denen die äthiopische Regierung nach eigenen Angaben um Unterstützung gebeten hatte, sind kurz nach Baubeginn aus dem Projekt ausgestiegen. Gründe dafür wurden nicht genannt. Die Weltbank lehnte ebenfalls eine finanzielle Förderung für den Bau des Staudammes wegen fehlender Transparenz ab.

Im Jahr 2010 erhielt das staatliche chinesische Unternehmen Dongfang Electric Corporation von Äthiopiens Regierung den Zuschlag für den Einbau der Turbinen und die Ausführung der elektromechanischen Arbeiten am Gibe III Projekt. Die ebenfalls staatliche Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) billigte im August 2010 die Finanzierung in Höhe von 500 Millionen US-Dollar für Dongfangs Projektbeteiligung. Chinas Unterstützung für das umstrittene Bauprojekt löste Kritik von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus. Im Oktober 2010 protestierten in Kenia Demonstranten gegen Chinas finanzielle Unterstützung für das umstrittene Projekt. Die DW-Anfrage an ICBC zur Finanzierung des Gibe III blieb unbeantwortet.

Wang Haiyan ist Wirtschaftsprofessorin an der Arizona State University und Mitgründerin des "China India Institutes". Diese Denkfarbrik mit Sitz in New York beobachtet und analysiert die Auslandsinvestitionen von China und Indien. "Chinas Investitionen im Ausland verfolgen in erster Linie kommerzielle Interessen", sagt Wang der Deutschen Welle. "Offiziell verweist Peking bei seinem Engagement in Afrika auf die Politik der sogenannten Nicht-Einmischung. Im Vergleich zu vielen westlichen Unternehmen haben chinesische Firmen den Vorteil, auf finanzielle Unterstützung von Chinas staatlichen Banken zurückgreifen zu können, so dass eine Investition in langfristige Infrastrukturprojekte möglich ist." Natürlich seien große Bauprojekte wegen möglicher Auswirkungen auf die Umwelt oft kontrovers, fuhr Wang weiter fort. "Das wisse China von seinen eigenen Staudamm-Projekten am besten."

Direkte Investitionen und Beteiligung durch Hintertür

Inzwischen schaltete sich das UN-Welterbekomitee ein und forderte im Juli 2011 einen Bau- und Finanzierungsstopp, bis endgültige Gutachten zu den Folgen des Projektes vorliegen. Doch weder Äthiopien noch China - beide Mitglieder des UN-Welterbekomitees - lassen Bereitschaft zur Änderung ihrer Pläne erkennen. Vor einem Jahr stieg ein weiteres chinesisches Unternehmen in das Projekt ein. Sinohydro, ebenfalls staatlich und das größte Wasserkraftunternehmen Chinas, hat nach eigenen Angaben die Ausschreibung im Wert von 300 Millionen Yuan (46,5 Millionen US-Dollar) für die Herstellung von Metallstrukturen, einschließlich hydraulischen Elementen und anderen Stahlbauteilen gewonnen.

Chinesische Firmen sind allerdings nicht der alleinige internationale Partner für Äthiopiens Omo-Damm-Projekt. Bereits im Jahr 2006 wurden die Bauarbeiten an die italienische Konstruktionsfirma Salini Costruttori vergeben. Auf der Website des Gibe III Projektes berichten die äthiopischen Bauherrn von Besuchen mehrerer hochrangiger Delegationen aus Italien. Die technische Planung des Baus übernahm das italienische Ingenieurbüro Pietrangeli.

Auch die Weltbank ist beteiligt, aber nicht am Staudamm selbst. Die internationale Finanzorganisation bestätigte im Juni 2012, knapp 700 Millionen US-Dollar für den Bau von Stromleitungen für beizusteuern. Diese Entscheidung sorgte für Empörung. Die kenianische Umweltorganisation "Friends of Lake Turkana" warf der Weltbank Doppelmoral vor. Schließlich könne Äthiopien den erzeugten Strom ohne Leitungen nicht in die Nachbarländer exportieren und verkaufen.

Entwicklung nicht vor Menschenrechten

Das eigene ökonomische Potenzial auszubauen und den Lebensstandard der Bevölkerung zu erhöhen, gehört zu den Zielen, die offiziell von der äthiopischen Regierung mit Gibe III verfolgt werden. In einem Artikel lobte Ben Rawlence, Afrika-Experte der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch", Äthiopiens Wunsch zur wirtschaftlichen Entwicklung zwar grundsätzlich. Er forderte die Regierung jedoch auf, minimale Standards einzuhalten. Internationale Geldgeber sollten sicherstellen, dass sie keine Menschenrechtsverletzungen unterstützen. Die Organisation "Survival International" teilt ebenfalls diese Forderungen. Sie vertritt die Meinung, dass die indigenen Bevölkerungsgruppen nicht viel von der Energieproduktion und den wirtschaftlichen Fortschritten profitieren würden: "Was könnte wichtiger sein, als die Grundlage ihrer Existenz und ihrer selbstbestimmten Lebensform zu erhalten?“

Äthiopien will das Projekt trotz knapper Kasse fertigstellen. (Foto: AFP)
Äthiopien will das Projekt trotz knapper Kasse fertigstellenBild: JENNY VAUGHAN/AFP/GettyImages

Nach Plan soll das Gibe III Projekt 2013 vollendet werden. Für Äthiopien soll damit aber noch nicht Schluss sein: Gibe IV und Gibe V sind bereits in Planung.