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Pressetimmen von Mittwoch 4.September 2002

Michael Wehling 3. September 2002

UN-Weltgipfel in Johannesburg / Entwicklung des Irak-Konflikts

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Der UN-Weltgipfel, der an diesem Mittwoch zu Ende geht, sowie die Entwicklung des Irak-Konflikts sind die Themen der ausgewählten Kommentare der deutschen Tageszeitungen.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG schreibt zum UN-Gipfel:

Bei Licht besehen haben in Johannesburg zwei Konferenzen stattgefunden. Auf der einen haben Delegierte mit großem Ernst und der bei Konferenzen dieser Art üblichen Raffinesse um Formulierungen gerungen, die die Zukunft der Menschheit betreffen. Die andere Veranstaltung war den Staats- beziehungsweise Regierungschefs vorbehalten. Die Bedeutung dieses Treffens sollte man nicht zu hoch ansetzen. Aber wenn man liest und hört, was bei dieser Gelegenheit alles gesagt wurde, kann man verstehen, dass es - zum Beispiel in den Vereinigten Staaten - Menschen gibt, die mit UN-Konferenzen nichts zu tun haben wollen.'

In der BERLINER ZEITUNG heißt es:

Es schmälert den Wert des globalen Wasserplanes zunächst nicht, dass er auf Kosten eines anderen, ebenso wichtigen Abkommens geschlossen wurde. Die USA hatten hart gearbeitet, um den Entwicklungsländern das Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien auszutreiben - im Tausch gegen Geld für den Ausbau der Wasserwirtschaft. Die Interessen der USA liegen auf der Hand. Zum einen dürfen amerikanische Firmen auf riesige öffentliche Aufträge hoffen, zum anderen verlangt die Wasserinitiative von den Vereinigten Staaten kein Handeln im eigenen Land.'

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER fragt:

'Hat das Johannesburger Klima dem Bundesumweltminister den klaren Blick vernebelt? Oder sind es einfach Wahlkampfzwänge, die ihn - wie zuvor schon den Bundeskanzler - zum positiven Blick auf die Gipfelergebnisse um jeden Preis zwingen? Die Johannesburger Konferenz als 'Erfolg' zu bezeichnen, mutet aus deutscher Sicht jedenfalls sehr gewagt an. Nur in zwei Punkten hat die Bundesregierung ihr Ziel erreicht: beim Thema Wasser und bei der Gleichstellung von Umweltabkommen mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO.'

Kritisch äußert sich die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

'Der Gipfel ist nur deswegen kein Fehlschlag, weil er brennende Themen wie Armut, Klimawandel, Gesundheitsversorgung, Globalisierung oder Menschenrechte zurück ins Bewusstsein holte und das Signal gab, dass es mit dem UN-System auch nach dem 11. September 2001 eine Alternative zur Abschottungspolitik der einen Weltmacht USA gibt.'

Damit zum Thema Irak-Konflikt. Der in Berlin erscheinende TAGESSPIEGEL analysiert:

'Die Front gegen einen Irak-Krieg wächst. Nun droht Moskau mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat. Das Tragische an all diesen Versuchen, Amerika von einem Alleingang abzuhalten: Sie bewirken das Gegenteil. Wer den Frieden will, muss den Krieg vorbereiten - die traurige, aber lebensnahe Erkenntnis der Römer bedeutet im Irak: Saddam wird die UN-Waffeninspektoren nur ins Land lassen, wenn er andernfalls mit einem Militärschlag rechnen muss. Da ihm jetzt aber die halbe Welt versichert, sich gegen Amerika zu stellen, wenn es hart auf hart kommt, wird es keine Rüstungskontrolle geben.'

Ein andere Sicht hat der Kommentator der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus München:

'Es gibt einen Ausweg: Der Druck aus Washington hat die erstarrten Fronten aufgebrochen, Bagdad scheint die Übel abzuwägen und wieder Gefallen an einem Inspektoren-Regime zu finden. Diesmal sollten die Vereinten Nationen zugreifen, alte Fehler vermeiden und das Korsett noch enger schnüren. Druck und Eindämmung - zwei alte Bekannte aus dem Handbuch zum Umgang mit Diktatoren - bieten sich als Optionen an. Diesmal darf die UN dem Diktator keine Alternative bieten, die Drohkulisse muss glaubwürdig und geschlossen sein.'

Kritisch mit der Position der Bundesregierung setzt sich die STUTTGARTER ZEITUNG auseinander:

'Der deutsche Weg kann nur ein europäischer sein, denn nur dann hat er überhaupt eine Chance, zum Ziel zu führen. Gewiss, auch in Europa ist die Skepsis angesichts des amerikanischen Säbelrasselns gewachsen. Doch sie reicht nicht so weit, dass die Gemeinschaft geschlossen abseits stünde, wenn Washington seinen Truppen den Marschbefehl erteilte, schon gar nicht für den Fall, dass sich George W. Bush erfolgreich um ein UN-Mandat bemühte. Schröder hat voreilig und aus innenpolitischen Motiven seine Stimme erhoben, jetzt muss er damit rechnen, dass er jenseits des Atlantiks gar kein Gehör mehr findet - und zwar auf Dauer.'