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Pressestimmen von Samstag, 9. April 2005

Eleonore Uhlich8. April 2005

Beisetzung von Papst Johannes Paul II

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Anlässlich der bewegenden Beisetzungsfeier für Johannes Paul II. in Rom befassen sich die deutschen Tageszeitungen nochmals mit dem Leben und dem Werk des verstorbenen Papstes. Dabei beschäftigt die Kommentatoren vor allem die Faszination, die für Millionen Gläubige von dem Papst aus Polen ausging.

'Was ist da bloß passiert', fragt die OFFENBACH POST und führt aus:

'Sind die Deutschen, ist die Welt, plötzlich rundum gläubig geworden? Haben wir begriffen, dass da jemand gegangen ist, der in einzigartiger Weise Gradlinigkeit, Menschenliebe und Verlässlichkeit vorlebte? Die Beerdigung Karol Wojtylas ... war auch für diejenigen, die sie nur ausschnittsweise am Fernseher verfolgen konnten, ein riesen Erlebnis, ein Ereignis, das, wie auch wohl sein Tod, manchen tief nachdenklich machte und ihn die christliche Religion und Kirche, die Wurzeln unseres Daseins, und ganz bestimmt das eigene Verhältnis zu Gott neu definieren oder neu erkennen ließ.'

Die KIELER NACHRICHTEN schreiben:

'Die Sehnsucht der Menschen nach Sinnstiftendem, nach einer Erklärung dafür, was die Welt zusammenhält, vielleicht auch nach einer Identifikationsfigur, die mehr verkörpert als politische oder wirtschaftliche Macht, ist offenkundig geworden. Sie steht in krassem Gegensatz zu den leergefegten Gotteshäusern in Deutschland und der bescheidenen Rolle, die die Kirchen hierzulande im Alltag spielen. Erst recht bedeutet sie nicht den Beginn einer neuen Epoche der Christianisierung Europas. Der Tod Johannes Pauls wird als bedeutendes Ereignis in die Geschichte eingehen. Ein Wendepunkt in einer zunehmend vom Atheismus geprägten westlichen Welt ist er damit noch lange nicht', glauben die KIELER NACHRICHTEN.

Die Zeitung DIE WELT aus Berlin analysiert:

'Der Vatikan in Rom präsentierte sich gestern als Weltmacht. Wer darin auch einen Beweis für die Kraft des christlichen Abendlandes sieht, geht nicht fehl, muss aber vermerken: Dieser Beweis war nur zu erbringen, weil Johannes Paul II. die Grenzen des Abendlandes überschritt. ... Doch tat er dies nicht in "weltethischer Beliebigkeit", sondern mit der Faszinationskraft dessen, der unbeirrbar daran festhält, dass der Kern der eigenen Überzeugung überall und für alle gilt.'

Die HEILBRONNER STIMME meint:

'Für wenige Stunden schien das Wirken des Papstes auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein: Einige, friedvolle Welt. Eine globale Trauergemeinde unter dem Kreuz versammelt zum letzten Geleit für einen Patrioten der Freiheit, Brückenbauer der Weltreligionen und Botschafter des Glaubens. So weit reicht die Kraft der Frömmigkeit, dass sie auf einmal auch jene in ihren Bann schlägt, die dem dogmatischen Katholizismus eines Johannes Paul II. fern stehen.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München stellt fest:

'Es fehlt uns sein langer Atem. Es fehlen uns seine Beharrlichkeit, Standhaftigkeit, Wahrhaftigkeit. Es fehlen uns seine Uneitelkeit und seine Hingabe an eine große Idee, die nichts Geringeres entwirft als die Lösung der ewig neu gestellten Frage, wie die Spezies in wechselnden Epochen und Konflikten leben kann, ohne dass sich ihr Untergliederungen gegenseitig massakrieren und dabei den Planeten in die Luft jagen. Es fehlt uns seine unerschütterliche Verankerung in der Geschichte. Es fehlen uns die Weltenführer, die unter keinen Umständen gewisse Grundsätze der Menschlichkeit aufgeben: das Krieg kein Mittel der Politik sein darf, außer in Notwehr; dass Religions- und Meinungsfreiheit für restlos alle gelten; dass andere Kulturen und Weltanschauungen Respekt gebührt...'

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG resümiert:

'Papst Johannes Paul II. bleibt für Millionen die glaubwürdige Autorität, eine Persönlichkeit, die für die Vision von einer besseren Welt steht. ... Seine letzten, von Leiden gezeichneten Tage und die Woche nach seinem Tod, die unbeschreibliche Anteilnahme zeichneten sein Amtieren als Brückenbauer zwischen den Welten noch deutlicher. Als solcher wird er auch jenen in Erinnerung bleiben, die die Hände nicht zum Gebet falten. Als solcher sollte er auch jenen Beispiel sein, die für die irdischen Entscheidungen verantwortlich sind', rät die OSTTHÜRINGER ZEITUNG, mit der wir diese Presseschau beenden.