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Pressestimmen von Samstag, 8. Juni 2002

Siegfried Scheithauer7. Juni 2002

Keine bundesweiten Volksentscheide/Enttäuschender deutscher Arbeitsmarkt/US-Pläne für Anti-Terror-Ministerium/

https://p.dw.com/p/2Oiz

Das Scheitern der rot-grünen Grundgesetz-Initiative für bundesweite Volksentscheide findet ein großes Echo bei den Kommentatoren der deutschen Tagespresse.

Die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN urteilen:

"CDU und CSU haben Angst vor mündigen Bürgern. Anders lässt sich nicht erklären, dass beide mit windelweichen Argumenten die Einführung direkter Mitwirkungsrechte der Wähler bei der Gesetzgebung blockiert haben. ... Es war die Fehlannahme, dass man den Gedanken der Bürger-Demokratie außer in Sonntagsreden zu loben auch ernst
nehmen könnte."

Ähnlich sieht es die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Sie schreibt:

"Das Plebiszit könnte bisweilen ein Instrument sein, um die Politik voranzuschieben. ... Angst vor Volksbegehren und Volksentscheid muss die Politik nur dann haben, wenn sie zu bequem ist, Überzeugungsarbeit zu leisten; das Plebiszit würde sie endlich dazu zwingen. Es ist schade, dass Unionskanzlerkandidat Stoiber offenbar ein Freund
politischer Bequemlichkeit ist. Es wird eine neue Expedition geben müssen."

"Alibi-Aktion" titelt die FRANKFURTER RUNDSCHAU und bezieht auch die Regierungsseite in ihre Kritik mit ein:

"Es wird auf Bundesebene weder Volksbegehren noch Volksentscheid geben, weil die Konservativen das nicht wollen... Daraus lässt sich zum einen lernen, dass so mancher sympathische Diskurs der rot-grünen Jahre leicht den Blick verstellen kann auf die geistige Unbeweglichkeit der Opposition, die mitnichten wirklich gesprächsbereit war. Zum anderen jedoch war der späte Vorstoß trotz seiner symbolischen Bedeutung und langfristigen Tabu-Brecher-Funktion wirklich kein Ruhmesblatt für die Koalition. Hätten SPD und Grüne es richtig ernst gemeint, dann hätten sie das Thema sehr viel früher und konsequenter anpacken müssen...".

Ein weiteres wichtiges Thema der Meinungsmacher sind die jüngsten, immer noch enttäuschenden Arbeitslosenzahlen.

Der MANNHEIMER MORGEN meint:

"Wo bleibt er denn, der Aufschwung? Vielleicht behindern ihn die hohen Tarifabschlüsse oder die Trendsportart Warnstreik. ...Wenn bis zum 22. September kein konjunkturelles Wunder geschieht, bleibt an Gerhard Schröder das Stigma kleben, bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit versagt zu haben. Das muss kein allzu großes Manko sein, sofern Edmund Stoiber hier weiterhin keinen wesentlich vielversprechenderen Eindruck macht."

Auch die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf nimmt die Gewerkschaften ins Visier:

"Streiktage, mit denen die Gewerkschaft derzeit die Republik
überzieht, verlocken Arbeitgeber nicht gerade zu Neueinstellungen. ... Die volkswirtschaftlich zu happigen Lohnerhöhungen werden vielmehr noch für beschleunigten Arbeitsplatzabbau in den betroffenen Branchen sorgen. Und ein unsicherer Kandidat ist wegen des starken Euros auch die Exportseite geworden, bislang die einzige Konjunktur-Lokomotive."

Einige Blätter werfen ein Schlaglicht auf die amerikanischen Pläne für ein Superministerium zum so genannten Heimatschutz.

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG analysiert:

"Theatralischer Aktionismus oder notwendige Vorsorge? Die Gründe für das von US-Präsident George W. Bush kreierte neue Anti-Terror-Ministerium liegen irgendwo in der Mitte. Sicher ist: Zusammen mit der Reform des Geheimdienstes CIA und der Bundespolizei FBI soll die neue Superbehörde eine Wiederholung von Terroranschlägen wie beim
11. September vergangenen Jahres verhindern. Sicher ist aber auch: Die hektischen Anti-Terror-Aktivitäten sollen die Kette von Unfähigkeit und Schlamperei bei der Terroristen-Bekämpfung vergessen machen."

Die Zeitung DIE WELT fragt:

"Errichtet George W. Bush die Staatsschutz-Festung Amerika? Wird das gelobte Land der Einwanderer in Notwehr zum xenophoben Musterland innerer Sicherheit und Unfreiheit? Es wird Stimmen geben in den USA, die in dem von Bush vorgeschlagenen Staatsschutz-Ministerium Signale hin zu einem Überwachungsstaat sehen. Gewichtiger, weil vertrauter mit dem Futterneid und der Wehrhaftigkeit jeder Bürokratien in Washington und anderswo dürften die Zweifel eines Edward Kennedy sein. Der Senator bekannte in einem Bonmot - das sprichwörtlich werden wird - er sei unsicher, ob 'das Umverteilen der Liegestühle auf der Titanic' die richtige Remedur sei. Kennedy konnte nicht wissen, dass Stunden später Bush vor einer 'traurigeren und stärkeren Nation' von einem 'titanischen Ringen' sprechen würde, das die Einrichtung des Superministeriums erzwinge."