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Pressestimmen von Samstag, 5. November 2005

Walter Lausch4. November 2005

Stoiber unter Druck/Lösung der Haushaltsprobleme

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Nach seiner Rückkehr als bayerischer Ministerpräsident nach München steht Edmund Stoiber innerparteilich stark unter Druck. In Berlin suchen Union und SPD weiter nach Lösungen für die Haushaltsprobleme. Das sind die beiden Themen dieses Blickes in die Kommentarspalten der deutschen Tageszeitungen: Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg schreibt zum Taktieren von Stoiber:

"Wenn Riesen Risse bekommen, werden sogar Zwerge zu Helden. Diese alte Erfahrung macht gerade Edmund Stoiber. Durch den Freistaat geht ein Schaudern. Denn der Kaiser, der nichts an sich so liebte, wie den Eindruck geschniegelter, steifer Unfehlbarkeit, steht ohne Kleider da. Und reiht einen Fehler an den vorherigen. Als Ein-Mann-Laokoon-Gruppe hat er sich in Berlin in seine Wünsche, Anmaßungen und Machtstrategien verknäuelt. Ist dann frustriert oder gegenüber Merkel auch mit einer gewissen Tücke davongelaufen, um seine Partei quasi auf Knien um eine zweite Chance zu bitten. Doch je mehr sich der Eindruck verstärkt, er könnte die Landtagswahl 2008 versemmeln, umso größer wird der Druck."

Ähnlich sehen es die NÜRNBERGER NACHRICHTEN:

"Stoibers Auftritt beim Abendessen mit der Fraktion in Rom, seine angedeutete Reue, seine im kleinen Kreis bekundete Bereitschaft, aus den Fehlern zu lernen, reichen nicht aus, um die Partei zu besänftigen. Viele, die bisher loyal zu ihm standen, machen ihrem Ärger Luft. Kaum verhohlen wird von den ganz Mutigen sein Rückzug aus der Politik gefordert. Andere stellen zumindest in Frage, ob die CSU 2008 wieder mit Stoiber als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen soll. Der Lack ist ab."

Der MANNHEIMER MORGEN zieht Parallelen zu den USA:

"Ein Landesvater, der seine Abgeordneten bittet, sie mögen ihm eine zweite Chance geben, ist, wie es die Amerikaner nennen, eine lahme Ente. Stoiber kann weiterregieren - aber nicht mehr wie ein Sonnenkönig, der nur auf sein Leberkäs-Kabinett hört. Der Ministerpräsident muss sich wieder um Land und Leute kümmern."

Nach Meinung der LÜBECKER NACHRICHTEN muss Stoiber nun für immer mit der Bedrohung durch seine möglichen Nachfolger leben:

"Die kritischen Geister, die er auf den Plan rief, wird Edmund Stoiber so bald wohl nicht mehr loswerden - wenn überhaupt. Denn auch wenn sich die erste ganz große Erregung bald wieder legen kann - der absurde Amoklauf des eben noch nach dem Papst unfehlbarsten Bayern wird nicht in Vergessenheit geraten. Und er wird jedes Mal wieder zumindest unterschwellig thematisiert werden, wenn auch in Bayern ausnahmsweise mal etwas schiefläuft, was man dann der Staatskanzlei anlasten kann. Auf jeden Fall werden jetzt die möglichen Nachfolger anfangen, mit den Füßen zu scharren.."

Zu den Etatproblemen schreibt die Chemnitzer 'Freie Presse':

"Heulen und Zähneklappern hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch prophezeit, bevor die Koalitionäre ihre Tiefenprüfung zum Etat begannen. Schwindelerregend war schon das Sparvolumen von 35 Milliarden Euro bis 2007. Diese Summe hatte zumindest noch bis vor wenigen Tagen die Runde gemacht. Jetzt ist von sage und schreibe 70 Milliarden Euro die Rede, die in der Kürze der Zeit von nur zwei Jahren irgendwie gestemmt werden sollen, um endlich wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Wie immer der Fehlbetrag am Ende auch genau ausfallen mag, ihn allein mit Einsparungen im Haushalt zu deckeln, ist ein Ding der Unmöglichkeit."

Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG ist wenig optimistisch:

"Besonders nah an die Bürger werden die Sparbeschlüsse aller Art kommen. Die von Müntefering angekündigten vier Nullrunden bei den Renten kommen angesichts der Inflationsraten nicht nur einer Rentenkürzung, sondern auch dem Eingeständnis gleich, dass die künftigen Koalitionäre zumindest in ihren ersten beiden Regierungs- jahren weder ein allgemeines Wachstum mit sinkender Arbeitslosigkeit noch gewichtige Lohnerhöhungen erwarten. Aber auch die Union macht unwillkürliche Eingeständnisse. Dass das von Koch angekündigte Zähneklappern in der zu Ende gehenden Woche ausgeblieben ist, verrät eines: Die schwarz-roten Unterhändler können sich nicht auf die Schreckensmedizin zur Sanierung des Haushalts einigen. Daher ist bislang eher ihnen zum Heulen zumute als den Bürgern."

Die 'Leipziger Volkszeitung' nimmt die Diskussion über die Mehrwertsteuer näher unter die Lupe: "'Das Hickhack um die Mehrwertsteuer spiegelt den desolaten Zustand der Koalitionsverhandlungen wider. Während die eine Arbeitsgruppe verzweifelt den Rotstift spitzt, um die sich anbahnende gigantische Milliardenverschuldung in den Griff zu bekommen, geben sich andere Arbeitsgruppen betont ausgabefreundlich. Wer soll das finanzieren? Die Antwort ist klar: Ohne konsequentes Sparen und längst überfällige Verschlankung des Staates bleiben davon nur Luftschlösser.'

Das Fazit des SCHWARZWÄLDER BOTEN aus Oberndorf:

"Rentner werden von einer Null-Runde zur nächsten vertröstet, und Otto-Normalverbraucher wird darauf eingestimmt, dass er 2006 erstmals weniger Geld in der Tasche haben könnte. Dem Staat bleibt gar nichts anderes übrig, als Wohltaten aus besseren Zeiten wieder einzusammeln. Zugleich soll er aber auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen und den Konsum fördern: Politiker und Bürger, gefangen im Teufelskreis."