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Pressestimmen von Samstag, 3. Dezember 2005

Walter Lausch2. Dezember 2005

Besuch von Kanzlerin Merkel in Polen / 1.000 Hinrichtung in den USA

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Polen einen Antrittsbesuch abgestattet, in den USA gab es ein eher makaberes Jubiläum. Das sind die beiden Themen dieses Blickes auf die Kommentarseiten der deutschen Tageszeitungen vom Samstag. Zum Polenbesuch der Bundeskanzlerin schreibt die 'Stuttgarter Zeitung':

"Angela Merkel hat gestern anlässlich ihres Besuches in Warschau gesagt, das Verhältnis beider Länder sei so gut wie nie zuvor. Das stimmt, wenn man an die jahrzehntelangen Bemühungen um eine Aussöhnung zwischen beiden Völkern denkt. Die Grenzen sind anerkannt, die wirtschaftliche Verflechtung nimmt ebenso zu wie der Jugendaustausch. Aber leider stimmt auch das Gegenteil. Die deutsch- polnischen Beziehungen waren in den vergangenen Jahrzehnten selten so belastet wie heute."

Die Chemnitzer FREIE PRESSE widmet sich näher diesen Belastungen:

"Je länger die Amtsdauer der rot-grünen Regierung in Berlin, desto angespannter wurde das Verhältnis zu Warschau. Gerhard Schröders Schmusekurs mit Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin löste bei den Polen - nicht zuletzt durch die Geschichte bedingte - schmerzliche Befindlichkeiten aus. Die Folge: Polen und Deutsche, in der Nato und in der Europäischen Union vereint, trifteten an vielen Stellen wieder auseinander, statt sich, wie ursprünglich gewollt, näher zu kommen. Begegnungen und Gespräche 'auf gleicher Augenhöhe' blieben auf lange Zeit hin nur ein frommer Wunsch Warschaus. Dies könnte sich jetzt aber ändern. Merkels Andeutungen, in der Europa-Politik nicht über die Köpfe der Polen hinweg entscheiden zu wollen, sind jenseits von Oder und Neiße jedenfalls aufmerksam registriert worden. Die Kanzlerin wird sich ab sofort darauf gefasst machen müssen, beim Wort genommen zu werden.'

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder weist darauf hin, dass einige Themen bei den Gesprächen in Warschau ausgeklammert wurden:

"Das Verhältnis beider Nachbarn ist in der jüngeren Vergangenheit erheblich abgekühlt. Doch beide Seiten haben ein Interesse daran das zerbrochene Porzellan schnellstens zu kitten. Deshalb konnte es bei diesem ersten Abtasten nicht nur um das umstrittene 'Zentrum gegen Vertreibungen', um Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener oder polnische Reparationswünsche gehen."

Die in Essen erscheinende WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG ruft zur Gelassenheit im Verhältnis beider Länder auf:

"Verabredungen zwischen Paris und Berlin sind keine potenziellen Geheimabsprachen zu Lasten Warschaus. Polen muss noch die Mechanismen des europäischen Einigungsprozesses lernen. Dass der Präsident und auch die Regierung dank nationalistischer und antideutscher Parolen gewählt wurden, stellt ein Ärgernis dar. Gelassenheit sollte ein guter Ratgeber sein, wenn es für beide Seiten darum geht, dauerhaft ein unverkrampftes Verhältnis aufzubauen."


In den USA ist die tausendste Hinrichtung seit der Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976 vollzogen worden. Die KIELER NACHRICHTEN kommentieren:

"Ein trauriges Jubiläum ist das. Die 1000. Hinrichtung fand gestern in den USA statt, seit die Todesstrafe während der Regentschaft von Präsident Gerald Ford im Jahr 1976 wieder eingeführt wurde. Und das in einem Land, in dem der gute Staatsbürger mindestens jeden Sonntag in die Kirche geht; in einem Land, das für sich in Anspruch nimmt, den Menschen überall auf der Welt zu Frieden, Freiheit und Menschenrechten zu verhelfen; das sich als Hüter christlicher Werte versteht und es nicht ertragen kann, wenn jemand wagt, daran zu zweifeln. Warum sieht man in den USA diese Widersprüche nicht, und warum stellen wir diese Frage nicht viel öfter dem Chef im Weißen Haus sondern nur denen in China, Vietnam und Iran?"

Auch die ABENDZEITUNG aus München ruft zur Abschaffung der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten auf:

"Dass nun in den USA die 1000. Hinrichtung seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976 'durchgeführt wurde', ist eine Schande für die USA. Trotzdem wird es auch in Deutschland wieder Rufe nach der Todesstrafe geben - spätestens beim nächsten Kindermord. Es geht aber gar nicht um die Frage, ob der Tod als Strafe 'gerecht' sein kann. Es geht darum, dass eine zivilisierte Gesellschaft es nicht akzeptieren darf, dass in ihrem Namen möglicherweise Unschuldige sterben. Ausgeschlossen werden kann das nie - selbst bei noch so erdrückenden Beweisen. Solange es möglich ist, dass unter 1.000 Getöteten auch nur ein Unschuldiger ist, sollte sich der Staat über menschliche Instinkte erheben und sagen: Nein!"

Aus Sicht der Dresdener SÄCHSISCHEN ZEITUNG ist die Todesstrafe nicht mehr zeitgemäß:

"In einer modernen Rechtsprechung darf die Todesstrafe keinen Platz haben. Denn sie ist Überbleibsel aus einem längst vergangenen Zeitalter, in dem die Justiz der biblischen Maxime «Auge um Auge, Zahn um Zahn» folgte. Wer auf diese Weise urteilt, lässt sich allein vom Gedanken der Rache leiten, nicht aber von den Prinzipien des Rechts und der Gerechtigkeit. Die Todesstrafe ist weder zeitgemäß noch passt sie zu den Idealen einer humanistischen Gesellschaft - eine Auffassung, die dem Rechtsverständnis der meisten Amerikaner aber noch immer widerspricht. Dass die Anhänger der Todesstrafe auf eine abschreckende Wirkung verweisen, ist unverständlich. Denn ein Blick in Verbrechensstatistiken zeigt, dass sie diesen Zweck gerade nicht erfüllt."