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Pressestimmen von Samstag, 2.Oktober 2004

zusammengestellt von Frank Gerstenberg1. Oktober 2004

Rededuell in den USA / Tag der Deutschen Einheit

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Einen Tag vor dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober befassen sich die Kommentatoren mit der Lage der Republik. Zuerst jedoch zum Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA, in dem der Kandidat der Demokraten, John Kerry, nach dem Rede-Duell mit George W. Bush offenbar Boden gut gemacht hat.

"Eins zu null für John Kerry", schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU und fährt fort:

"Wie immer Kerry im Senat abgestimmt haben mag - Irak ist Bushs Krieg. Die Bilanz ist verheerend. Indem der Präsident die offenkundigen Probleme klein redet, macht er sich zunehmend angreifbar. Kerry hat in diese Scharte geschlagen, und Bush hatte wenig mehr zu entgegnen als ein gebetsmühlenartiges Weiter-so-und- nur-nicht-wackeln. Kerrys Irak-Plan mag seine Schwächen haben. Immerhin aber hat er einen. Die Frage ist, ob er unentschlossene Wähler überzeugen konnte, dass ein Kurswechsel nötig ist - und er dafür der richtige Mann."

Auch die Zeitung DIE WELT ist positiv von Kerry überrascht:

"Gerettet. John Kerry hat sich aus dem Sumpf enttäuschter Erwartungen gezogen, in dem er wieder einmal unterzugehen drohte. Kerry präsentierte sich in rhetorischer Hochform, Bush eher wie eine blasse Kopie seiner selbst. Kerry hat die erste Runde gewonnen. Das ist noch keine Wendung der Dinge. Der Kandidat hat zunächst nur erreicht, dass seine Partei sich jetzt entschlossen hinter ihn stellt. Sein Auftritt ließ aber klar werden, dass es für Deutschland Folgen haben wird, sollte Kerry die Wahl gewinnen. Er wird mit Nachdruck von den Alliierten verlangen, alles Erdenkliche zur Stabilisierung des Irak beizutragen. Er nannte ausdrücklich Deutschland."

Folgende Ansicht vertritt die in Berlin erscheinende TAZ:

"Kerrys wesentliche Message ist: Die US-Politik muss intelligenter sein und die Partner ernster nehmen. Im Übrigen sollte sie sich auf den Krieg gegen den Terror konzentrieren, von dem Bush mit seinem Irakkrieg abgewichen sei. Steht Kerry also für den Beginn einer neuen Etappe US-amerikanischen Multilateralismus? Zweifel sind angebracht. Vermutlich wären europäische Regierungen zwar bereit, stärker mit einer Kerry-Regierung zu kooperieren, allein schon aus der Hoffnung, so ein Quäntchen Einfluss auf die Entscheidungen des Weißen Hauses zu erlangen. Gerade diese Hoffnung jedoch ist unrealistisch, nicht zuletzt deshalb, weil Kerry für bestimmte Konzessionen an die europäischen Partnerländer die Mehrheiten zu Hause fehlen würden. Ein Anlass zu übertriebenen Hoffnungen ist das nicht."

Der Tag der Deutschen Einheit naht zum 15. Mal, und die Stimmung im Land ist schlecht wie selten zuvor. Der Graben zwischen Ost und West scheint größer denn kleiner zu werden. So notiert die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam:

"Zum Tag der Deutschen Einheit schwingt ein unguter Ton mit, der in den vorangegangenen Jahren weniger laut zu vernehmen war. Es ist ein Ton der Unduldsamkeit, der Aufrechnung zwischen Ost und West. Er hat sich im Zuge der Hartz-IV-Debatte mit eingeschlichen. Heute sind Zeitungen und Magazine voll von Geschichten über das Jammertal Ost und Dauerarbeitslose, die keinen Finger rühren wollen. Mitleid ist nicht mehr zu erwarten, stattdessen Kritik des Anspruchsdenkens. Auf der Agenda steht der Gedanke der Fürsorge nun weiter hinten, dafür finden sich Analysen, in denen im Osten geradezu eine Explosion des Wohlstands konstatiert wird. Die Einheit - wer erinnert sich? - war mal ein Grund zum Freuen."

Auf dem Weg zu dieser Einheit stehe Deutschland noch am Anfang, meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Wer den Osten nicht weiter für die Rechtsextremisten präparieren will, der muss etwas gegen den Exodus aus dem Osten tun und für Arbeitsplätze sorgen. In einem aussterbenden Land funktioniert auch der Aufbau von Zivilgesellschaft nicht. Programme, die den Ausstieg von Rechtsextremisten aus der Szene befördern sollen, gibt es schon. Es wird auch Einstiegsprogramme geben müssen - Programme für den Einstieg in eine lebendige demokratische Gesellschaft. Die Wohnungen sind renoviert, die Telefonanschlüsse gelegt, Straßen- und Wegenetze ausgebaut worden. Die Arbeit an der Einheit aber hat erst begonnen."