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Pressestimmen von Samstag, 28. Januar 2006

Hans Ziegler 27. Januar 2006

Johannes Rau

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Der frühere Bundespräsident Johannes Rau ist im Alter von 75 Jahren verstorben. In den Kommentaren der deutschen Tagespresse erfährt Rau einhellige Würdigung:

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam schreibt:

'Johannes Rau war eine der letzten prägenden Gestalten der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, deren politische Gehversuche in die Zeit zurückreichen, als Konrad Adenauer Kanzler war. Er hat den langen Weg von der Zweiteilung Deutschlands bis in die Wiedervereinigung hinein durchschritten. Die eigentümliche Trauer, die auch diejenigen erfasst, die Johannes Rau ferner standen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sich mit ihm gelebte und erlebte Geschichte unseres Landes verbindet. Das ist es aber nicht allein. Johannes Rau lebte vor, was es heißt, mit Menschen respektvoll umzugehen. Auf ihn bezogen war Landesvater keine leere Floskel.'

Der MANNHEIMER MORGEN kommentiert:

'Die Sanftmütigen auf der Welt sind rar. Der bibelfeste Johannes Rau, den sie «Bruder Johannes» riefen, zählte indessen zu dieser seltenen Spezies. Vielleicht war er sogar einmalig: Ein Politiker, der stets das Menschliche im harten, schmutzigen Geschäft sucht und immer noch zum Ausgleich drängt, wo andere längst polarisieren - solch ein Politiker muss vom Himmel geschickt worden sein. Dorthin ist Rau jetzt zurückgekehrt.'

Das BADISCHES TAGBLATT würdigt Rau mit diesen Worten:

'Er scheute keinen Konflikt in der Sache, verlor gleichzeitig aber nie das Ziel eines Kompromisses aus den Augen. Rau war kein Gleichmacher, der Unterschiede verdecken wollte. Sondern ein Mensch, der Mut machte, mit ihnen zu leben. Maßgeblich beigetragen dazu hat seine Persönlichkeit. Bibelfest und immer einen Witz in der Hinterhand, verstand es Rau, auf Menschen zuzugehen. Mindestens so wichtig: Er konnte zuhören und einordnen. Deutschland hat Johannes Rau viel zu verdanken.'

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg merkt an:

'Johannes Rau war weit mehr als der Menschenfischer, der «Bruder Johannes», als der er sich selbst nicht ungern sah. Der Mann, der 20 Jahre lang Regierungschef in Düsseldorf und eine Amtszeit lang deutsches Staatsoberhaupt war, hatte Beharrlichkeit zu einer seiner Maximen erhoben eine Eigenschaft, die wir heute im politischen Tagesgeschäft weitgehend vermissen...im höchsten Staatsamt hat Rau zum Beispiel mit seinem zähen Engagement für die deutsch-israelische Versöhnung Zeichen gesetzt, die weit über seinen Tod hinaus wirken werden.'

In der AACHENER ZEITUNG lesen wir:

'Nein, er war nicht nur ein Anekdotenerzähler und bibelfester Protestant. Obwohl ihn das ja gar nicht unsympathisch machte. Er war kein politisches Leichtgewicht, das seine Bedeutungsschwere allenfalls aus gefälliger Rhetorik speiste. Vielleicht entsprach Johannes Rau ziemlich genau dem Idealbild des Politikers, wie es Max Weber 1919 beschrieb: Drei Qualitäten sind vornehmlich entscheidend für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl - Augenmaß.'

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE meint:

'Er war ein Showmaster der Politik, aber einer von der alten Schule. Moderne Oberflächlichkeit war nicht seine Sache. Er war ein Pragmatiker, der nicht der Versuchung des Opportunismus erlag. Das waren ausgezeichnete Voraussetzungen für das Amt des Bundespräsidenten. Als er es antrat, brach schon eine andere Zeit an, die Zeit der Flotten, der Oberflächlichen, denen die Vermarktung ihrer Politik wichtiger war als die Politik selber. Der Bundespräsident Rau stand seiner Regierung wie ein Turm altmodischer Tugenden gegenüber.'

In der OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock heißt es:

'Um das deutsch-deutsche Verhältnis hat sich Johannes Rau in besonderer Weise verdient gemacht. Als die Mauer Ost und West schier unüberwindbar trennte, machte er sich daran, Brücken zu bauen. Zu Menschen an der kirchlichen Basis, aber auch zu den damals Mächtigen wie zu Honecker und Co. Das hat ihm von beiden Seiten Anerkennung, aber auch Unverständnis eingetragen. Und nach der sektseligen Einheitseuphorie 1989/90 mahnte er immer wieder den Vollzug der inneren Einheit an. Rau - selbst nicht frei von Fehlern, Irrtümern und Niederlagen - wusste um die Mühen der Ebene.'

Abschließend die BERLINER MORGENPOST, die auf Raus Beziehung zur deutschen Hauptstadt Bezug nimmt:

'Kurz vor Ende seiner Amtszeit wurde Rau im März 2004 die Ehrenbürgerwürde Berlins verliehen. Das war weit mehr als ein formaler Akt. Rau machte sich dafür stark, die Rolle der Hauptstadt zum Thema auch der Föderalismuskommission zu machen, was nach seiner Amtszeit dazu führte, daß Berlin als Hauptstadt in einer Verfassungsergänzung unwiderruflich festgeschrieben wird. Oder an die Glaubwürdigkeit der Politiker appellierend mahnte er, es reiche eben nicht, den Neubau des Schlosses im Herzen Berlins bloß zu beschließen.'