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Pressestimmen von Samstag, 26. Februar 2005

Michael Wehling25. Februar 2005

Erkrankung des Papstes / Popularitätsverlust für Außenminister Joschka Fischer und die Regierungsparteien

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich an diesem Samstag mit den neuerlichen Erkrankung von Papst Johannes Paul II.. Beachtung findet auch der durch eine Umfrage deutlich gewordende Verlust an Zustimmung für Außenminister Joschka Fischer und die Regierungsparteien SPD und Grüne.

Zunächst zum erkrankten Papst. Die in Berlin herausgegebene Zeitung DIE WELT schreibt:

'Er lebt, was er immer predigte: die Absage an den Kult des Hier und an die Regentschaft des Jetzt. Johannes Paul II. ist politisch, aber kein Politiker. Er ist zutiefst antitotalitär und steht deshalb Konsumismus und Kommunismus gleichermaßen fern. ... Sein scheinbares Gleiten zwischen Leben und Tod ist Konsequenz eines Lebens, von dem er sagt, daß er es allein Gott verdankt.'

Die BERLINER ZEITUNG sieht kaum noch Hoffnung für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche:

'Die Dämmerung dieses Pontifikats, das schon oft am Ende angelangt schien, hat nun wohl unwiderruflich begonnen. Sie kann noch lange dauern und wird den Apparat, der die Kirche auch ist, gewiss belasten. ... Indessen spricht der zusammengesunkene, starre Leib des Kranken deutlicher, als es seine Stimme getan hat. Er spricht von der Würde des Lebens, von der Kraft des Glaubens und den menschlichen Grenzen.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN führen aus:

'Der 84-Jährige begreift seine Aufgabe als himmlische Mission, die er nicht abbrechen wird. Gerade dadurch spendet er vielen Menschen Trost und Hoffnung. Nie war dieser Papst als religiöser Führer stärker und als geistliches Vorbild glaubwürdiger als heute.'

Damit zum nächsten Thema, den gesunkenen Zustimmungswerten für Außenminister Fischer und die Koalitionsparteien.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU erläutert: 'Was die rot-grüne Koalition dem Land außen- wie innenpolitisch - noch - zu bieten hat: Allein davon wird abhängen, ob mit dem aktuellen Stimmungsknick auch schon das Ende des Führungsanspruchs der Generation Schröder/Fischer näher rückt. Da gibt es in Berlin viel Klein-Klein und viel zu wenig Klarheit über längere Linien. Genau diese Defensive ist es, in der frühere persönliche Fehler doppelt schwer wiegen. Weil rot-grüne Zukunft so ein blasses Angebot geworden ist.' Die in München herausgegebene SÜDDEUTSCHE ZEITUNG weist auf die Landtagswahl im Mai in Nordrhein-Westfalen hin und diskutiert die Optionen der Regierung:

'Drei Varianten bieten sich der Regierung bis dahin: Sie kann nichts tun - das würde vermutlich keinen guten Eindruck hinterlassen. Sie kann hektisch das Falsche tun, was einen noch schlechteren Eindruck machen würde. Und sie kann das Richtige tun: Reformen wieder als politische Notwendigkeit und nicht nur als taktisches Instrument betrachten. Dafür freilich fehlt ihr bis zum 22. Mai genau die Zeit, die sie in den letzten Monaten verplempert hat.' Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg schreibt zu Fischers Popularitätsverlust:

'Dass Joschka Fischer mit dem zweiten Platz auf der Beliebtheitsskala schon angezählt wäre, lässt sich nicht oder noch nicht behaupten. Aber, um einen grünen Werbespruch abzuwandeln: Visa wirkt. Die Thematisierung seiner Amtsführung am Beispiel der grünen Einwanderungspolitik auf eigene Faust hat den Wählernerv getroffen.'

Ähnlich argumentieren die LÜBECKER NACHRICHTEN:

'Joschka Fischer glaubte den Missbrauch mit Einreisepapieren wie einen Fussel von seiner Anzugsweste wegpusten zu können. Er hat die Geschichte lange ignoriert. Als das nicht mehr möglich war, hat er versucht, sie auf Mitarbeiter abzuwälzen. Dieser Hochmut hat ihn jetzt in die Bredouille gebracht.'

Kritisch äußert sich auch die AACHENER ZEITUNG:

'Es grünt indigniert. Die guten, weltoffenen Menschen gerieren sich in selbstgefälliger Rechthaberei und reklamieren Erbarmen für ihren obersten Exzentriker. Jetzt blättert der Lack dieser hochglanzpolierten Karriere. Das merken die bislang gar nicht so gut organisierten Gegner und wittern irgendetwas noch nicht so genau Definiertes. Die Visa-Affäre spielt nicht mehr die Hauptrolle. Joseph Fischer ist angeschlagen, und der Arrangeur ist die Ikone selber.'

Abschließend ein Blick in OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

'Über die Grünen zieht mit der Visa-Affäre um den Außenminister ein prächtiges Sturmtief auf. Weil aber die SPD offenbar nicht nachstehen will, organisiert sie sich in bewährter Weise den Wetterumschwung selbst. Und diesmal gleich auf Ministerebene. Vermutlich weil Finanzminister Eichel mit Grippe wehrlos im Bett liegt, witterte Wirtschaftsminister Clement seine Chance. Aber Eichel, selbst im Krankenbett nicht faul, polterte zurück.'