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Pressestimmen von Samstag, 22. November 2003

Annamaria Sigrist21. November 2003

Anschläge Türkei / Irak

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Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich nochmals mit den Anschlägen in der Türkei und mit der von Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach losgetretenen Diskussion, ob das NATO-Mitgliedsland jetzt noch der Europäischen Union beitreten kann. Ein weiteres Thema ist die Lage im Irak.

Zur Türkei schreibt die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Istanbul und seine Bewohner verdienen in diesen Tagen des Schreckens unser aller Mitleid. Was die Türkei nicht verdient hat, ist ausgerechnet jetzt eine Debatte darüber, ob das Land nach den Terroranschlägen besser in der Europäischen Union aufgehoben ist oder nicht. Die Toten von Istanbul sind noch nicht einmal beerdigt, da wird der Terror in einer politischen Debatte benutzt - die Gegner eines EU-Beitritts fühlen sich durch die Attentate der letzten Tage ebenso bestätigt wie die Befürworter eines solchen Beitritts. Es ist eine erbärmliche Debatte zur falschen Zeit."

In der BILD-ZEITUNG aus Hamburg heißt es:

"Die Trümmer rauchen noch. Menschen trauern um ihre Angehörigen. Ihre Tränen sind noch nicht trocken. Und was machen unsere Politiker? Sie instrumentieren den Terror und seine Opfer für ihre politischen Ziele. Sie fragen ausgerechnet jetzt, ob die Türken schneller in die EU aufgenommen werden sollen oder langsamer? Bombenanschläge werden zur Stimmungsmache genutzt. Das ist eine Schande. Dies ist der falsche Zeitpunkt für eine solche Debatte."

Auch der BERLINER KURIER verurteilt den CDU-Politiker:

"Gehört die Türkei in die europäische Familie? Nein, sagt CDU-Mann Bosbach. In schwerer Stunde, wo man zusammenrücken, beieinander stehen sollte, will er Barrieren bauen. Als würde Terror vor einer Grenze Halt machen. Es gibt bedenkenswerte Argumente, die gegen ein EU-Mitglied Türkei sprechen. Die Verletzung von Menschenrechten ist eines. Die Anschläge von Istanbul sind keines. Ein verheerendes Signal - menschlich wie politisch."

Und die WELT aus Berlin sagt abschließend dazu:

"In das Mitleid mit den Opfern mischt sich in Deutschland die Angst vor einer näher kommenden Gefahr. Dies ist ein fataler Irrtum - denn die Gefahr ist bereits seit langem die gleiche. Unser Land ist nicht mehr nur Ruheraum, sondern längst Aktionsbasis, mit allen Konsequenzen. Dazu gehört, dass hier Hassprediger auftreten und Straftäter einreisen, um Material und Geld zu beschaffen. Es ist fahrlässig, wenn man nun, wie Teile der Union, versucht, die Ängste der Menschen angesichts der Blutbäder zu instrumentalisieren. Denn so nährt man die in der Politik rechts wie links verbreitete Illusion, Deutschland könne alles regeln."

Themenwechsel. Die neuen Anschläge im Irak haben haben manche Kommentatoren die Frage stellen lassen, ob der von Präsident Bush geführte Krieg wirklich den Terrorismus hat eindämmen können.

Dazu heißt es in der THÜRINGISCHEN ALLGEMEINE aus Erfurt:

"Zwei Phantome spuken durch den Irak: Bin Laden und Saddam Hussein. Sie bislang nicht ergriffen zu haben, verleiht ihnen im Auge ihrer Anhänger Allmacht. Wie kläglich auch immer sie sich versteckt haben mögen. Doch sehen sich El-Kaida-Leute ermutigt, in den Irak einzusickern und in einen tödlichen Wettstreit zu treten mit Saddams Ex-Gardisten. Fanatische Selbstmordanschläge oder wie gestern Raketen-Abschüsse von selbst gebastelten Rampen auf Eselskarren belegen ihre unterschiedlichen Handschriften. So trügt die Erwartung von Präsident Bush, dass die Zeit für ihn arbeitet, wenn er erst Mitte nächsten Jahres beginnt, die Macht im Irak schrittweise abzugeben."

Und die OSTTHÜRINGISCHE ZEITUNG aus Gera sagt dazu abschließend:

"Der Irak-Krieg ist nicht rückgängig zu machen. Doch die Welt könnte begreifen lernen, warum er sie in kurzer Zeit so verändert hat. Bushs missionarische Politik, in die Form vorbeugender Kriege gekleidet, ist ein Irrweg, weil sie einzig und allein von der Position der Stärke aus die Welt mit Waffengewalt befrieden will und weil es dafür keine gemeinsame weltpolitische Grundlage gibt."