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Pressestimmen von Samstag, 22. Juli 2006

Bernhard Kuemmerling21. Juli 2006

Iran - Merkel / Nahost - Lage

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Irans Präsident Ahmadinedschad hat in einem Brief an Kanzlerin Merkel keinen Bezug auf das iranische Atomprogramm genommen sondern vielmehr seine antisemitische Grundhaltung erneuert. Außerdem befassen sich die Leitartikler der deutschen Tagespresse mit der Lage im Nahen Osten.

Zum Brief des iranischen Präsidenten an die Bundeskanzlerin bemerkt die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Der iranische Präsident Ahmadinedschad beginnt offenbar Gefallen an seinen Briefen zu finden. Sie sind umfangreich, erläutern den Islam, zitieren aus dem Koran, und sie spiegeln die Reden des Präsidenten wider. In seinen Hetztiraden gegen Israel lässt sich Ahmadinedschad von niemandem übertreffen. Er leugnet öffentlich den Holocaust und bestreitet das Existenzrecht Israels. Die deutsche Politik darf sich nicht von solchen wirren Schreiben durcheinander bringen lassen. Deshalb hat Angela Merkel Recht, wenn sie den Brief nicht beantworten will."

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz analysiert:

"Das Schreiben aus Teheran ist nur der Versuch, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Etwas anderes konnte man eigentlich nicht erwarten, denn die Islamische Republik Iran betreibt eine ähnliche Politik wie das kommunistische Nordkorea: Erst drohen, dann die Reaktionen abwarten, später hinhaltend Verhandlungen andeuten, schließlich wieder drohen und verzögern. Offenkundig glaubt der iranische Präsident, dass er mit derartigen Aktionen seine abstrusen Ansichten besser verbreiten und dafür auch noch Zustimmung bekommen kann. Alle Politiker tun gut daran, auf die Provokationen nicht zu reagieren und stattdessen die Forderungen etwa zum Atomprogramm klar und eindeutig zu formulieren."

In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder heißt es:

"Wer darauf gehofft hatte, dass sich Irans Präsident Ahmadinedschad endlich zu den Anfang Juni von den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern und Deutschland unterbreiteten Vorschlägen im Nuklearstreit äußern würde, erlebte eine bizarre Überraschung. Der Mann, der den Holocaust leugnet und das Existenzrecht Israels bestreitet, erwähnte die Atomfrage mit keinem Wort, sondern will Deutschland mit in das Boot seiner Nahostpolitik holen. Das könnte man als Unverfrorenheit abhaken, wenn dahinter nicht Kalkül stecken würde."

Der Kommentator der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg sieht es so:

"Der Wille Gottes wird über alles obsiegen, schließt Irans Präsident Ahmadinedschad seinen ersten Brief vom Mai an George Bush. Der Gotteskrieger in Teheran mit der Kriegsrhetorik eines Joseph Goebbels hat inzwischen nachgeladen und die Suada seiner im Kern bigottischen, primitiv antisemitischen Propaganda auch über dem Berliner Kanzleramt ausgegossen. Was gibt es da zu antworten? Kanzlerin Merkel tut gut daran, das vergiftete Elaborat, das uns, ausgerechnet uns zum Leugnen des Holocaust einlädt, ganz tief zu hängen. Es aber nicht aus dem Kopf zu verlieren. Denn der Eiferer meint, was er sagt. Und die Vision seiner Politik ist die Auslöschung Israels von der nahöstlichen Landkarte."


Themenwechsel. Zur Lage in Nahost schreibt Der KÖLNER STADT-ANZEIGER:

"Die Ankündigung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), er wolle in den nächsten Tagen Ägypten, Israel und die Palästinenser- Gebiete besuchen, weckt Hoffnungen: Der Weg zum Schweigen der Waffen könnte geebnet werden. Die Chance beruht darauf, dass Deutschland sowohl auf israelischer Seite als auch in der arabischen Welt über gut eingespielte Kontakte verfügt und sich viel Vertrauen erworben hat. Aber man sollte sich auch nicht täuschen: Mit dem Instrumentenkasten aus Deutschland lässt sich nicht allzu viel «hebeln» in Nahost."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:

"Israel ist oft mit dem Völkerrecht in Konflikt geraten. Das kleine Land hat dies immer mit den besonderen Verhältnissen im Nahen Osten gerechtfertigt: Inmitten skrupelloser Feinde, die Israels Vernichtung anstreben, müssten gegnerische Angriffe präventiv abgewehrt oder mit härtester Vergeltung beantwortet werden. Im Libanon steht das israelische Militär vor den bekannten Herausforderungen der asymmetrischen Kriegsführung: Armee gegen Miliz. Selbstverteidigung umfasst durchaus das Recht, ein gefährliches 'Krebsgeschwür herauszuschneiden', wie Israel es nennt. Wenn dabei aber mehr gesundes Gewebe entfernt wird als krankes, dann gilt die Operation als 'exzessiver Einsatz von Gewalt', wie UN-Generalsekretär Kofi Annan sagt."

Im MANNHEIMER MORGEN lesen wir:

"Die Gewaltspirale im Nahen Osten wird sich weiterdrehen. Hunderttausende Schiiten sind im Libanon auf der Flucht, sind den Angriffen schutzlos ausgesetzt. Der Hass auf Israel wird sich tief eingraben, auch bei denen, die bislang keine Anhänger der Terror- Miliz waren. Man mag der Hisbollah die Köpfe abschlagen, aber wie bei der sagenhaften Hydra wachsen neue nach. Völlig ungewiss ist der Ausgang der israelischen Offensive. Sicher ist nur, dass selbst nach einer Befriedung des Südlibanon kaum dauerhafte Ruhe einkehren wird. Im explosiven Nahen Osten kann es keine Sieger geben."

Abschließend noch ein Blick in die Berliner Zeitung DER TAGESSPIEGEL:

"Europäer, nicht zuletzt die Deutschen, und die USA müssen eine Vermittlung versuchen. Jetzt. Sie müssen. Mit allen reden, besänftigen, mit Hilfe locken. Denn alles hängt mit allem zusammen, die Unruhe im Irak und in Palästina und im Libanon, die Schiiten in allen Ländern außerdem, und dann der Iran, der hinter der Hisbollah steht. Bomben hüben und drüben bereiten den Weg ins Chaos. Vielleicht stimmen ja alle wenigstens darin überein: Frieden ist Völkerrecht."