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Pressestimmen von Samstag, 22. Februar 2003

Frank Gerstenberg21. Februar 2003

Die Irak-Politik Amerikas und das deutsch-amerikanische Verhältnis / Verteidigungsminister Struck will Bundeswehr reformieren

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Die Kommentare in den deutschen Tageszeitungen befassen sich auch diesmal mit dem Irak-Konflikt. Im Blickpunkt steht dabei vor allem die Kritik der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel an der Bündnispolitik des Bundeskanzlers. Weiterhin beschäftigen sich die Leitartikler mit den Bundeswehrreform-Plänen von Verteidigungsminister Peter Struck.


Zur Politik Amerikas in der Irak-Krise schreibt der MANNHEIMER MORGEN:

"Wer oder was könnte eigentlich die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien noch von einem Militärschlag gegen den Irak abhalten? George Bush setzt auf die normative Kraft des Faktischen: Wer eine solche Armada in Bewegung setzt, der will auch losschlagen. Jetzt läuft der Countdown für den Marschbefehl, und er scheint wieder einmal den Satz des preußischen Generals von Clausewitz zu bestätigen, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei. Wollte man dieser Logik folgen, hätte Washington noch viel zu tun: Von Nordkorea bis Libyen, vom Jemen bis zum Sudan warten weitere 'Schurkenstaaten', harren Diktatoren und Massenvernichtungswaffen ihrer Beseitigung. Ist das die neue Weltordnung?"


Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder ergänzt:

"Wenn Gewaltandrohung und -anwendung (aber) zum Prinzip erhoben würden, gebe es keine Einzelfallprüfung mehr und dem Missbrauch wären keine Grenzen gesetzt. Das hat uns die Geschichte auf tragische Weise und nicht nur einmal gelehrt."


Die Zeitung DIE WELT goutiert die Kritik der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel an der Amerika-Politik des Bundeskanzlers:

"Angela Merkel ist in ihrem Gastbeitrag für die 'Washington Post' einen geraden Weg gegangen. Im Konflikt zwischen Kanzler- und Bündnisloyalität hat sie Klartext geredet: Ja zu einer Lösung der Irak-Krise auf UN-Ebene, Nein zur haarsträubenden Bündnisdiplomatie des Kanzlers. Denn in dieser Beziehung spricht Gerhard Schröder nicht für die Mehrheit der Deutschen. Den traditionell gültigen Comment, der Zurückhaltung von der Opposition bei Äußerungen über die Regierung im Ausland verlangt, hat Schröder durch sein mutwilliges Verlassen der transatlantischen Geschäftsgrundlage selbst suspendiert."

Das sieht die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG anders:

"In Teilen der Union, am prominentesten bei Merkel, ist ein allmählicher Rückzug auf einen fast bedingungslosen Transatlantismus zu bemerken. Dieser Rückzug ist in starkem Maße innenpolitisch bedingt. Der lange Zeit vorgetragene Vorwurf der angeblichen Isolierung Deutschlands in der Irak-Frage stößt derzeit ins Leere. Weil Merkel um fast jeden Preis die Alternative zu Schröder verkörpern will, wirft sie sich nun Washington an die Brust."

Und in den DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN heißt es:

"Vor allem mit der Form ihrer Kritik hat Angela Merkel sich und der Union einen Bärendienst erwiesen. Der amerikanische Kniefall verstärkt das öffentliche Bild einer Oppositionspartei, die der Regierung vorwirft, nicht für alle Deutschen in der Irak-Frage zu sprechen; die aber umgekehrt den Beweis für mehrheitsfähige Positionen in der Außenpolitik schuldig bleibt. Die Kritik an Schröders Wahlkampf-Missbrauch der Frage 'Krieg oder Frieden am Golf' fällt Merkel jetzt selbst auf die Füße. Ein klassisches Eigentor."


Die Bundeswehr muss nach Ansicht des Verteidigungsminister Peter Struck künftig ihr Hauptaugenmerk auf internationale Friedenseinsätze legen. Dazu braucht sie Geld, das Struck durch Einsparungen an anderer Stelle freimachen will. Die STUTTGARTER ZEITUNG kommentiert die Reformpläne so:

"Mindestens ein Lob hat Verteidigungsminister Peter Struck für seine gestern vorgestellte Weiterentwicklung der Bundeswehrreform verdient. Er erlaubt den militärischen Führern nicht mehr, sich von Jahr zu Jahr über das wahre Ausmaß der öffentlichen Finanznot hinwegzutäuschen, mal offen, mal verdeckt mehr Geld für die Streitkräfte zu fordern, eine Bugwelle von Wünschen, Plänen, Hoffnungen aufzustauen und auf bessere Zeiten zu hoffen. Anders als sein Vorgänger Rudolf Scharping, der zur Aufbesserung der Kasse auf eine geradezu märchenhafte Einnahmevermehrung baute, zwingt Struck die Generäle, die Augen zu öffnen."


Die BERLINER ZEITUNG ist der Ansicht, dass sich die gewandelte Rolle der Bundeswehr nicht mit der Wehrpflicht vertrage:

"Peter Struck begründet die Neuausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze sehr eindrucksvoll mit den Worten: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt. Zu einer Tradition passt diese neue Auslands-Bundeswehr allerdings überhaupt nicht: Zur Wehrpflicht. Aus gutem Grund sind bisher nur Freiwillige in die Auslandseinsätze geschickt worden. Wer zur Armee eingezogen wird, soll sein Leben nicht bei Friedensmissionen riskieren müssen. Struck kann nicht beides wollen: Die Orientierung auf Auslandseinsätze und den Fortbestand der Wehrpflicht. Und schon gar nicht darf der Minister das so begründen, wie er es tut: Dass es schlicht billiger ist, den Bundeswehr-Nachwuchs bei den Wehrdienstleistenden zu rekrutieren. Für einen Zwangsdienst kann Geld nicht das wichtigste Argument sein."