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Pressestimmen von Samstag, 21.September 2002

Bernhard Schatz20. September 2002

Däubler-Gmelins Dementi / Ende des Wahlkampfes

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Bundesjustizministerin Herta Däubler Gmelin hat bestritten, US-Präsident Bush mit Adolf Hitler verglichen zu haben. Dies und das offizielle Ende des Wahlkampfes sind die vorrangigen Kommentar-Themen deutscher Zeitungen am Samstag.

Zur Justizministerin meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:
'Am Freitag hat man das Ende der Karriere von Däubler-Gmelin als Ministerin erlebt. Falls Schröder wieder Kanzler werden sollte, wird er sie zu Recht nicht mehr ins Kabinett holen. Gewiss, sie hat sich Verdienste um die Reform von Recht und Justiz erworben. Aber auch Rudolf Scharping hat die Bundeswehr reformiert. Und wie Scharping fehlt Däubler-Gmelin Einsichtsfähigkeit beim Management eigener Fehler.'

In der Zeitung DIE WELT heißt es:
'Der so häufig als leidenschaftslos gescholtene Wahlkampf bleibt spannend bis zuletzt. Nicht allein wegen der Umfragen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen signalisieren. Auch wegen der Überraschungsmomente. Nicht nur der notorische Geisterfahrer Möllemann, ausgerechnet die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin hat jetzt für einen Eklat gesorgt, der sich in allerletzter Minute auf die Entscheidung vieler Wähler auswirken könnte. Wieder ist ein Kabinettsmitglied schwer angeschlagen, wieder ist der Kanzler zum Feuerwehreinsatz gezwungen. Aber jetzt geht es nicht um Pannen und Pleiten von Ministern. Eine der Getreuesten in Schröders Kabinett hat den Geist dieser Regierung decouvriert.'

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert:
'Die Welt hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges geändert, Amerika hat sich geändert, Deutschland hat sich geändert: Daher muss über das deutsch-amerikanische Verhältnis nachgedacht werden. Am Ende wird jedoch das Ergebnis stehen, dass es in Deutschlands Interesse ist, möglichst großen Einfluss auf den mächtigsten Staat der Welt zu haben, besonders wenn er gerade dabei ist, seine Rolle neu zu definieren. Die Mittel, die Deutschland dafür zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Im Vordergrund stehen Eigenschaften, die besonders in bewegten Zeiten (wie nach dem Fall der Mauer) unüberschätzbare Bedeutung haben: Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und - ja, auch Freundschaft. Der Bundeskanzler hat preisgegeben, was über Jahrzehnte mühsam erworben worden und schwer wiederzuerwerben ist.'

In den STUTTGARTER NACHRICHTEN lesen wir:
'Ganz traut muss sich die Justizministerin gefühlt haben, als sie vor Tübinger Betriebsräten über die amerikanischen Drohungen gegen den Irak sprach. Das Bad im linken Heimatbiotop begünstigte offenbar den Hitler-Vergleich, den die Sozialdemokratin nun wortreich dementieren muss. Er hätte, da unverzeihlich, einen Rücktritt notwendig gemacht. Der blieb aus. Doch ist die Affäre damit keineswegs erledigt.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht es so:
'Der Stimmungswandel, den der Kanzler zum Ende des Wahlkampfs hinbekam, hat etwas mit der Klarheit zu tun, die so lange fehlte und durch die Flut sichtbar wurde. Die Klarheit schnellen Handelns und einfacher Rezepte. "Keine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen Irak" - das traf diesen Nerv. Niemand muss dem Kanzler erklären, dass er nach einer Wiederwahl für diesen Wahlkampfhit noch zu rhetorischer Höchstform auflaufen muss. Und vielleicht hat ihm ja Frau Däubler-Gmelin mit ihrer unentschuldbaren Fehlleistung, die Außenpolitik Adolf Hitlers mit der von George W. Bush zu vergleichen, gerade eine nützliche Handreichung gegeben. Eine Justizministerin, die weiß, wie wichtig Formulierungen sind, ist nach einem solchen Ausrutscher erledigt.'

Themenwechsel und damit zum Wahlausgang am Sonntag. Dazu die PFORZHEIMER ZEITUNG:
'Schröder oder Stoiber? Stoiber oder Schröder? Bauch-Mensch Schröder gegen Kopf-Mensch Stoiber. Es wird eine Zitterpartie am Sonntagabend. Keiner der beiden hat sich überzeugend empfohlen, denn noch nie gab es so viele bis zuletzt unentschlossene Wähler. Wer auch immer Kanzler wird, ein "Weiter so, Deutschland" wäre das Letzte, was wir brauchen. Morgen wissen wir mehr, denn nichts ist spannender als die Wirklichkeit.'

Zum Schluss die CELLISCHE ZEITUNG:
'Eine Wahlentscheidung ist mit Sicherheit die falsche: der Entschluss, aus Protest gegen die "da oben" gar nicht erst zur Abstimmung zu gehen. Wer zu Hause bleibt, darf sich hinterher nicht beschweren, "wenn die in Berlin wieder einmal alles falsch machen." Denn er hätte es ja verhindern können.'