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Pressestimmen von Samstag, 15. März 2003

Christian Walz 14. März 2003

Regierungs-Erklärung Schröder

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Die deutschen Tageszeitungen richten ihr Hauptaugenmerk an diesem Samstag auf ein Thema: Die Regierungs-Erklärung von Bundeskanzler Schröder.

"Was hat man nicht alles von dieser Rede erwartet: Ein 'Ruck' sollte durch Deutschland gehen, 'Blut, Schweiß und Tränen' sollten fließen", schreibt der Kölner EXPRESS.

"Beide Erwartungen konnte der Kanzler nicht erfüllen. Stattdessen hat Schröder getan, was in seiner Macht steht - und das ist viel und wenig zugleich: Die Lohnnebenkosten senken, Leistungen für Arbeitslose kürzen, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen, kommunale Investitionen fördern und den Kündigungsschutz für Kleinbetriebe lockern. Zu wenig für die, die am liebsten gleich den gesamten Sozialstaat abschaffen würden. Zu viel für die, denen der Staat ein Ruhekissen ist. Die Crux ist: Der Kanzler konnte es keinem recht machen, obwohl er es allen recht machen wollte."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN zollen dem Kanzler Respekt:

"Es muss schon sehr lange her sein, dass ein Kanzler den Mut gehabt hat, derart massive Einschnitte in die Gewohnheiten unserer Gesellschaft anzukündigen und dabei so wenig Rücksicht auf die eigene Klientel zu nehmen. Vermutlich ist es ein einmaliger Vorgang, und insofern war die spröde Rede des Kanzlers in der Tat historisch. Schröders Mut, auch daran besteht kein Zweifel, ist aus der Not heraus geboren. Er hat nichts mehr zu verlieren. Und genau darin liegt vielleicht seine Chance, genau darum ist Schröder vielleicht doch noch in der Lage, das Land aus der Lethargie zu reißen."

Der WIESBADENER KURIER ist der Ansicht, Schröder habe bei seinem Auftritt im Bundestag seine Möglichkeiten nicht genutzt.

"Vieles blieb inhaltlich im Unklaren; Schröder beschränkte sich auf die Rolle des Moderators anstatt der eigenen Partei einen klaren Modernisierungskurs zu diktieren. Parolen, ein wenig Lyrik, garniert mit klassenkämpferischen Tönen - viel mehr war da nicht. Die SPD-Linken und Gewerkschaften haben bereits deutlich gemacht, dass sie die angepeilten Reformen der Sozialsysteme schon im Ansatz ersticken möchten. Lässt Schröder das zu, hat er wohl endgültig verspielt."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München richtet eine Warnung an die Sozialdemokraten:

"Die SPD muss aufpassen, dass sie beim Umbau des Sozialstaats nicht unter die Räder kommt. Das aber wird passieren, wenn es ihr nicht gelingt, mit dem Maßstab der sozialen Gerechtigkeit zu arbeiten und Belastungen ausgewogen zu verteilen. In Schöders Rede war das noch nicht der Fall: Sie war konkret dort, wo es um Belastungen für kleine Leute, und unkonkret dort, wo es um Belastungen für die Wirtschaft ging."

'Nicht gerade ein Befreiungsschlag, aber auch kein Schlag ins Wasser' - so analysiert der MANNHEIMER MORGEN die Regierungs- Erklärung des Kanzlers.

"Wenngleich so manche hoch gesteckte Erwartung enttäuscht wurde und die packende 'Ruck'-Rede ausblieb, so erlebte das Parlament doch auch keine dieser 'Ruck-Zuck-Reden', mit denen Schröder die Probleme gewöhnlich zukleistert. Würde es diesem Kanzler gelingen, seine Ankündigungen in eiserne Politik zu gießen, wäre der Durchbruch geschafft. Dazu benötigt er aber nicht nur seine eigene Partei, sondern auch die Kooperationsbereitschaft der CDU/CSU. Bleibt abzuwarten, ob sich in der Union die Besonnenen oder die Blockierer durchsetzen werden."

Und die DEISTER- UND WESERZEITUNG aus Hameln stellt fest:

"Es hätte keiner Reden von Merkel, Stoiber, Westerwelle und Co. bedurft, um festzustellen, dass des Kanzlers Rede nicht der erhoffte große Wurf war. Es hätte aber zu einer Sternstunde der parlamentarischen Demokratie werden können, wenn die Opposition dem zaudernden Kanzler mutige Reformvorschläge entgegengesetzt hätte. Diese Chance wurde vertan."

Abschließend noch ein kurzer Blick in die MÄRKISCHE ALLGEMEINE, die in Potsdam erscheint. Das Blatt zieht folgendes Fazit:

"Es ist müßig, sich am Interpretations-Wettstreit zu beteiligen, ob Schröders Rede eine große Rede war. 'Mut zur Veränderung' erweist sich nicht im Reden, sondern im Handeln."