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Pressestimmen von Samstag, 12. März 2005

zusammengestellt von Stephan Stickelmann11. März 2005

Verschärfung des Versammlungsrechts / Regierungsbildung in Schleswig-Holstein

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Der Bundestag hat das Versammlungsrecht verschärft und die Strafvorschriften für Volksverhetzung erweitert, damit der Staat wirkungsvoller gegen Rechtsextremisten vorgehen kann. Dies ist ein wesentliches Kommentarthema der Tageszeitungen. Zudem beleuchten sie die Regierungsbildung in Schleswig-Holstein.

Zum ersten Thema heißt es in der TZ aus München:

"In der Sorge, Nazis könnten vor Gedenkstätten von Nazi-Opfern aufmarschieren, haben sich Union und Regierung zu einem Zweckbündnis zusammengeschlossen, um zumindest diese sensiblen Bereiche zu schützen. Das wird nicht ohne Streit darüber abgehen, auf welche Orte das zutrifft. Und auch die Bedenken der Liberalen, dass hier eigentlich an Grundrechten gesägt wird, sind nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem sind diese Gesetzesänderungen richtig. Demokratie muss sich gegen ihre Gegner wehren können, anderenfalls ist ihr Ende abzusehen."

Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN stellen fest:

"Wie wirkungsvoll das 'neue Werkzeug' ist, mit dem der Bundestag die Ordnungskräfte versehen hat, wird sich vor den Gerichten, letztlich wohl erst in der letzten Instanz in Karlsruhe erweisen. Die Judikative hat es in der Hand, ob aus dem Gesetz eine scharfe oder eine stumpfe Waffe wird. Im schlimmsten Fall können die zu erwartenden Verfahren zu einer Blamage für den Rechtsstaat, im günstigsten freilich auch zu einer Ermutigung werden: Wenn die Verfassungsrichter der Legislative in Sachen Versammlungsrecht Rückendeckung geben, könnten Bundestag und Bundesrat vielleicht doch noch einen zweiten Verbotsantrag gegen die NPD wagen."

Kritischer beurteilt das NEUE DEUTSCHLAND in Berlin die Gesetzesnovellen:

"Die Gefahr geht nicht in erster Linie von öffentlichen Versammlungen gegen die Verfassungsdemokratie aus, sondern von deren Unterwanderung. Bei dieser leistet der Gesetzgeber quasi Beihilfe, wenn er Grundpfeiler in Frage stellt. Die empfindlichen Reaktionen der Bürgerrechtsbewegung zeigen die Sorge um die 'Nebenwirkungen' einer Gesetzesverschärfung. Nicht nur die regelmäßige Verleumdung gerade von Gegendemonstranten durch die etablierte Politik zeigt deren Toleranz in Sachen Versammlungsrecht. Und die ersten Entwürfe des Gesetzes hatten das Kalkül nicht verhehlt, sich auch auf andere als die Versammlungen von Neonazis Zugriff zu verschaffen."

Und die in Erfurt erscheinende THÜRINGER ALLGEMEINE führt aus:

"Bei mehr Zivilcourage der Demokraten wäre es den Rechtsradikalen längst vergangen, sich offen auf den Straßen zu zeigen und von allen Seiten ausbuhen zu lassen. Stattdessen sieht sich der Staat in der Notlage, ersatzweise handeln zu müssen durch eine Verschärfung des Versammlungs- und des Strafrechtes. Die Folge ist ein völliger Widersinn. Nachdem die Deutschen die vom NS-Regime radikal ausgehöhlten Grundfreiheiten zurück erhalten haben, beschneiden sie diese nach 60 Jahren, um zumindest die Gedenkstätten für die Opfer der braunen Barbarei vor Beleidigung und Verhöhnung zu schützen."

Themenwechsel: Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG lenkt den Blick auf den Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein und schreibt:

"Rot-Grün nennt die Neuauflage seines Bündnisses, erweitert durch die SSW-Duldung, ein Reformbündnis. Auch das ist ein starkes Stück. Was eigentlich hat die SPD seit dem Wahlsieg 1988, was hat Rot-Grün in den vergangenen Jahren in Schleswig-Holstein getan? Überhaupt bedeutet das, was das Kieler Bündnis unter Reformpolitik versteht, vor allem eines: Der Staat wird noch mehr Geld ausgeben und noch mehr Schulden machen."

Die BERLINER ZEITUNG resümiert:

"Heide Simonis geht in ihrer vierten Legislaturperiode als Ministerpräsidentin nochmal ein hohes politisches Risiko ein. Mit nur einer Stimme regiert die Minderheitsregierung, die von der kleinen Dänenpartei geduldet werden wird. Das Risiko des Scheiterns allerdings liegt weniger beim SSW. Die Beckmesser sitzen in den Reihen der Sozialdemokraten. Geht die Wahl in Nordrhein-Westfalen für die SPD verloren und schwinden die Aussichten für Rot-Grün, die Bundestagswahl 2006 noch einmal zu gewinnen, wird auch in Schleswig-Holstein die Kraft fehlen, eine so schwierige Regierungskoalition noch lange durchzuhalten."